1.1 Grundlagen
Grundlegende Controllingprozesse wie zum Beispiel der operative Budgetplanungsprozess gibt es bereits seit vielen Jahrzehnten, bevor man es dem Controlling zugeordnet hätte. In vielen größeren Unternehmen wurde das Gesamtsystem des Controllings durch kontinuierliche inhaltliche Verbesserungen, Anreicherungen und Erweiterungen der behandelten Fragestellungen sehr umfassend und detailliert, aber auch sehr komplex und dadurch sehr aufwändig und wenig flexibel.
Beginnend mit IT-Unternehmen wie Apple, Intel, Microsoft, die sich seit den späten 1970er Jahren in einem bis dahin ungekannt dynamischen Umfeld befunden haben, haben Unternehmen aus immer mehr Branchen festgestellt, dass es den klassischen Controllingssystemen an Schnelligkeit und Flexibilität mangelt, um sich auf eine VUCA-World (Volatile, Uncertain, Complex, Ambiguous) einzustellen.
Agilität bezeichnet die Fähigkeit eines Unternehmens, die Herausforderungen einer VUCA-World zu bewältigen. Agiles Controlling unterstützt das Management durch eine ergebniszielorientierte Koordination von Werkzeugen & Prozessen, Praktiken, Prinzipien und Werten bezüglich der Planung, Kontrolle und Informationsversorgung in einer VUCA-World und fördert damit die Bildung eines agilen Controlling-Mindsets im Unternehmen.
1.2 Neue Anforderungen
Eine wesentliche Aufgabe des Controllings ist es, die Strategieumsetzung sicherzustellen und für eine Leistungstransparenz sowie Leistungssicherung aller organisatorischen Einheiten wie Teams, Abteilungen, Business Units, Geschäftsfelder oder Unternehmenssegmente sowie des Gesamtunternehmens zu sorgen.
Etliche Grundkonzepte des Controllings bestehen schon seit Dekaden, wenn nicht sogar seit Jahrhunderten. So ist das Konzept einer unternehmensweiten Budgetplanung -- im Sinne einer operativen Jahresplanung -- mit entsprechen Plan-Ist-Vergleichen im frühen 20. Jahrhundert in den damals entstehenden Großunternehmen wie Ford, General Motors, BASF oder DuPont de Nemours entstanden und wurde in den folgenden Jahrzehnten von nahezu allen Unternehmen ab einer gewissen Größe adaptiert.
Es gab immer wieder Neuerungen im inhaltlichen Fokus der Controllingsysteme. So hat die Balanced Scorecard in den 1990er Jahren als eines der ersten Instrumente des Performance Managements grundlegend neue Aspekte in die bis dahin eher vergangenheitsorientierte und auf Finanzkennzahlen ausgerichtete Controllingpraxis eingebracht:
- Das Grundkonzept der KPIs,
- die Anforderung der Strategierelevanz der KPIs,
- die Integration von KPIs aus drei nicht-finanziellen Perspektiven,
- die Forderung nach vorlaufenden KPIs ("leading indicators") und
- die Beschränkung auf eine begrenzte Anzahl von KPIs.
An der Jahresrhythmik an sich hat die Balanced Scorecard aber nichts verändert. Vielmehr hat auch sie in der Praxis zur Erhöhung der Komplexität der Planungssysteme beigetragen. Es gab in etlichen Unternehmen eine strategische Planung und zusätzlich in vielen Unternehmen die operative Mittelfristplanung mit der Budgetplanung für das kommende Jahr. Zudem planten die meisten Unternehmen ihre Organisationseinheiten in der sogenannten Gegenstromplanung (Top-down/Bottom-up), was das Alignment der detaillierten Kunden- und Prozesskenntnis der operativen Ebenen mit der Zielsetzung des Top-Managements sicherstellte.
Nachteile der Gegenstromplanung sind die erhebliche Dauer in größeren Unternehmen und die hohe Ressourcenbindung in den Controllingabteilungen, aber besonders auch in den Fachabteilungen. Ein Gegenstromplanungsprozess kann in einem globalen Großkonzern durchaus sechs bis acht Monate in Anspruch nehmen. Etwas überspitzt konnte man sagen, dass die Controller in großen Unternehmen das ganze Jahr entweder im Jahresabschluss oder in Planungsprozessen gebunden waren und somit keine Zeit hatten, sich konzeptionell, geschweige denn als Business Partner zu betätigen.
Eine solch aufwändige Gegenstromplanung ist nur im stabilen Unternehmensumfeld sinnvoll, in einem dynamischen Umfeld sind die Planungsprämissen überholt, bevor der Planungsprozess abgeschlossen ist. Stabile Umfeldbedingungen sind in vielen Märkten und damit für viele Unternehmen nicht mehr gegeben. Seit den 2010er Jahren wird von sogenannten VUCA-World bzw. den VUCA-Umfeldbedingungen gesprochen. VUCA steht dabei für
- Volatile: Das Umfeld des Unternehmens ist extrem dynamisch, sodass selbst mittelfristige Prognosen nicht möglich sind.
- Uncertain: Das Umfeld ist von Unsicherheit geprägt. Selbst wenn man zukünftige Umweltzustände kennt, kann man diesen keine Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen.
- Complex: Die externe Umwelt und die internen Prozesse werden von so vielen Faktoren beeinflusst, dass diese nicht zu überschauen, geschweige denn zu modellieren sind und damit nicht geplant werden können.
- Ambiguous: Gleiche Aktionen führen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu unterschiedlichen Konsequenzen, ohne dass die Gründe hierfür erkennbar wären bzw. man Ursache-Wirkungsketten definieren könnte.
Die Covid19-Pandemie und später der Krieg in der Ukraine haben viele...