Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Erstmals zum 1.1.2009 wurde ebenfalls eine Steuerbefreiung für Kinder i. S. d. Steuerklasse I nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Kinder und Stiefkinder) sowie Kinder verstorbener Kinder für zu eigenen Wohnzwecken genutztem Eigentum oder Teileigentum bei einem Erwerb von Todes wegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG eingeführt. Diese Begünstigung ist an dieselben Voraussetzungen gebunden, wie bei der Übertragung bei Erwerben von Todes wegen auf einen Ehepartner oder einen Lebenspartner.
10 Jahre Selbstnutzung notwendig
Damit ist wesentliche Voraussetzung, dass das Familienheim 10 Jahre lang nach dem Besteuerungszeitpunkt für eigene Wohnzwecke verwendet wird; die Aufnahme der Selbstnutzung muss deshalb regelmäßig innerhalb einer Frist von 6 Monaten erfolgen. Unschädlich ist allerdings die Aufgabe der Selbstnutzung aus nicht selbst verschuldeten Gründen. Muss das Vermögen auf einen Dritten übertragen werden, kann die Begünstigung für den Ersterwerber nicht in Anspruch genommen werden.
Auch der Hinzuerwerb kann unter die Begünstigung fallen, wenn ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, von seinen Eltern erbt und diese zur Selbstnutzung bestimmt ist und die Selbstnutzung unverzüglich aufgenommen wird.
Während die Befreiung bei dem Erwerb von Todes wegen bei Ehepartnern oder Lebenspartnern nicht an eine bestimmte Größe der selbstgenutzten Wohnung gebunden ist, ist bei dem Erwerb von Todes wegen bei Kindern die Begünstigung nur insoweit zu gewähren, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Keine Regelung ist darüber getroffen worden, wenn mehrere Kinder grundsätzlich begünstigungsfähiges Vermögen erwerben und dann gemeinsam oder nach einer Trennung in das Familienheim einziehen. Die Finanzverwaltung sieht die 200 m²-Grenze nicht personenbezogen, sondern objektbezogen. Damit unterliegt – unabhängig der Anzahl der erwerbenden Kinder – die über 200 m² hinausgehende Fläche der Erbschaftsteuer. Aus dem Gesetz ist dies so nicht eindeutig ableitbar, es wäre auch eine personenbezogen Flächenbegrenzung nach dem Gesetzeswortlaut denkbar.
Beschränkung der Begünstigung auf 200 m²
Mutter M verstirbt und hinterlässt ihren beiden Kindern K1 und K2 ein selbstgenutztes Familienheim mit einer Wohnfläche von 300 m². Die Kinder setzen gemeinsam die Selbstnutzung 10 Jahre fort. Der zutreffend ermittelte Grundbesitzwert für das Haus beträgt 900.000 EUR. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist insgesamt nur eine Fläche von 200 m² begünstigt. Damit unterliegen 2/3 des Hauses der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, 1/3 des Hauses geht mit seinem anteiligen Grundbesitzwert von (900.000 EUR x 1/3 =) 300.000 EUR in den steuerpflichtigen Erwerb mit ein, jedes Kind hat somit aus dem Erwerb des Hauses 150.000 EUR zu besteuern.
Die Begrenzung ergibt sich auch im Erbfall, bei der ein Familienheim auf den überlebenden Lebens- oder Ehepartner und ein Kind übergeht. Auch in diesem Fall ist nach der Finanzverwaltung der objektbezogenen Betrachtung der Vorrang einzuräumen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Kind in diesem Fall dieses Objekt auch 10 Jahre lang weiter nutzen muss.
Erwerb durch Ehepartner und Kind
Mann M verstirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. In dem Nachlass befindet sich auch ein selbstgenutztes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 280 m². M hinterlässt seine Frau F und sein Kind K. Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Nach der gesetzlichen Regelung erbt F die Hälfte und K die andere Hälfte. Damit geht das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zur Hälfte steuerfrei auf die F und nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zur anderen Hälfte steuerfrei auf K über – der Anteil des K beträgt 140 m². Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss das Kind aber 80/280 des auf ihn entfallenden Werts des Hauses besteuern, da die Gesamtwohnfläche des Hauses mehr als 200 m² beträgt. Für den begünstigten Teil des Gebäudes muss das Kind, um die Steuerbefreiung auf Dauer zu behalten, das Haus 10 Jahre lang selbst (mit)nutzen.
Gerade die Nutzung oder Mitnutzung eines Kindes bei einem Familienheim zieht praktische Probleme nach sich, da wegen der Selbstnutzungsfrist von 10 Jahren – zumindest in den Fällen älterer Kinder – eine Zwangsgemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehepartner und dem Kind oder den Kindern gebildet wird. In diesen Fällen sollte – gleich bei dem Erbfall – eine Erbteilung vorgenommen werden, bei der das Objekt zwischen den Erben auf die Person übertragen wird, die das Objekt wahrscheinlich am längsten nutzen wird.
Nachversteuerung bei Aufgabe der Selbstnutzung
Fällt die Selbstnutzung innerhalb der 10-Jahresfrist aus vom Begünstigten selbst verschuldeten Grund weg, erfolgt eine vollständige Nachversteuerung; eine zeitanteilige Gewährung der Begünstigung für die Zeit der Selbstnutzung erfolgt nicht. Die Aufgaben der Selbstnutzung aus nicht selbst verschuldeten Gründen...