Leitsatz
1. Ein auf ausländischem Recht (hier: Anwachsungsklausel nach französischem Ehegüterrecht) beruhender Erwerb von Todes wegen kann der inländischen Erbschaftsteuer unterliegen.
2. Die Vorschriften des Saarvertrags zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sind seit dessen Außerkrafttreten am 5.7.1959 nicht mehr anwendbar. Die Verwaltungsanweisungen, durch die ihre weitere Anwendung angeordnet wurde, sind für die Gerichte nicht verbindlich und begründen keinen Vertrauensschutz zugunsten der Steuerpflichtigen.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 ErbStG, § 1482, § 1483, § 1922, § 1967 BGB, § 12, § 85 Satz 1 AO, § 121 BewG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 1524 Abs. 1, Art. 1526 CC, Art. 3 Satz 2, Art. 19, Anlage 4 SaarVtr
Sachverhalt
Der Kläger und seine 2002 verstorbene Ehefrau (E), beide deutsche Staatsangehörige, hatten seit 1977 ihren gemeinsamen Wohnsitz in Frankreich. Sie hielten je zur Hälfte die Aktien an einer im Saarland ansässigen AG sowie Anteile an zwei GmbHs. Am 27.12.2001 vereinbarten die Eheleute, ihre vermögensrechtlichen Beziehungen dem französischen Recht und dem Güterstand der Gütergemeinschaft zu unterstellen; dazu enthielt die Vereinbarung eine Anwachsungsklausel auf den Todesfall (Art. 1524 Abs. 1 CC). Das FA beurteilte den Erwerb des Klägers kraft Anwachsung als einen solchen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und setzte gegen den Kläger im Hinblick auf das Inlandsvermögen Erbschaftsteuer fest. Einspruch und Klage hatte keinen Erfolg (FG des Saarlandes, Urteil vom 10.6.2010, 1 K 1209/07, Haufe-Index 2360752, EFG 2010, 1711).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Ausgehend von einer zivilrechtlichen Analyse ist ein Erwerb aufgrund einer Anwachsungsklausel nach französischem Recht als Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu behandeln.
Hinweis
Seit jeher sieht sich die Rechtsanwendung bei Erwerben von Todes wegen, die aufgrund ausländischen Rechts erfolgen, mit durchaus delikaten Fragen der Anwendbarkeit des § 3 ErbStG konfrontiert. Diese Vorschrift ist in seiner Diktion und aufgrund seiner Verweise auf das BGB ersichtlich auf die Erwerbsgründe des deutschen Erbrechts zugeschnitten. Die Problematik stellt sich im Streitfall für den Erwerb von Todes wegen durch den beschränkt steuerpflichtigen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) Kläger, der von seiner Ehefrau Inlandsvermögen (§ 121 BewG) aufgrund einer Güterrechtsvereinbarung nach französischem Recht erworben hatte.
1. Im Grundsatz kann die Anwendbarkeit des § 3 ErbStG auf Erwerbe nach ausländischem Recht nicht fraglich sein. Das ErbStG setzt dies ersichtlich mit seinen Regelungen über die persönliche Steuerpflicht (§ 2) voraus.
Neue Akzente setzt der BFH nun aber hinsichtlich der Maßstäbe, nach denen die Zuordnung eines Erwerbs nach ausländischem Recht zu den Erwerbsgründen i.S.d. § 3 ErbStG zu erfolgen hat. Im Grundsatz bleibt es bei der in langjähriger Rechtsprechung praktizierten sog. zweistufigen Objektqualifikation.§ 3 ErbStG ist unproblematisch anzuwenden, wenn die Institutionen des ausländischen Erbrechts denen des deutschen Erbrechts entsprechen.
Entsprechen hingegen die Begriffe des ausländischen Rechts nicht dem deutschen Erbrecht, hatte sich die Anwendung des § 3 ErbStG bislang an der wirtschaftlichen Bedeutung dessen orientiert, was das ausländische Recht für den Einzelfall vorschreibt. Diese "wirtschaftliche Betrachtung" führt der BFH nunmehr (im Anschluss an Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG 4. Aufl. § 3 Rz. 62 f.) stärker auf das Gebot einer zivilrechtlichen Analyse des Erwerbs nach ausländischem Recht und dessen wertenden Vergleich mit den Erwerbsgründen i.S.d. § 3 ErbStG zurück.
Letztlich gilt damit auch für das Erbschaftsteuerrecht der für alle Verkehrsteuern geltende Grundsatz, dass sich die Auslegung der einschlägigen Regelungen an den spezifischen Regelungszielen des ErbStG orientieren muss. Insbesondere drängt das Besprechungsurteil (wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen) zu der Erkenntnis, dass der – im BGB nicht verwendete – Begriff "Erbanfall" i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht in strenger Anbindung an deutsches Erbrecht, sondern vielmehr als erbschaftsteuerrechtlicher "Zweckbegriff" nach spezifisch erbschaftsteuerrechtlichen Kriterien ausgelegt und angewendet werden muss.
2. Eine durchaus kuriose Note hat die im Streitfall vom BFH entschiedene Frage, ob die für eine Übergangszeit geltenden Vorschriften zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer, die in dem 1956 zwischen der Bundesrepublik und Frankreich geschlossenen Vertrag zur Regelung der Saarfrage (SaarVertr) enthalten waren, auch für im Jahr 2002 entstandene Erbschaftsteuer (so im Streitfall) einer Erbschaftsbesteuerung entgegenstehen. Die im SaarVertr bestimmte Übergangszeit endete zwar bereits mit Ablauf des 5.7.1959. Die saarländische Finanzverwaltung hatte aber durch Verwaltungserlasse eine Anwendung dieser Vorschriften über dien genannt...