Eine Zusammenrechnung ist nur dann vorzunehmen, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem ersten und dem letzten Erwerb nicht mehr als 10 Jahre beträgt.
Außerhalb des 10-Jahreszeitraums stattfindende Erwerbe sind somit nicht einzubeziehen.
Abwarten der Zehnjahresfrist
Damit kommt nach Ablauf der 10-Jahresfrist der persönliche Freibetrag wieder erneut zur Anwendung. Auch verringert sich der Steuersatz. Für die Gestaltungsberatung bedeutet das, dass u. U. mit einer Zuwendung gewartet wird, bis die 10-Jahresfrist verstrichen ist.
Zu beachten ist, dass durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Steuersätze in der Steuerklasse II abgesenkt wurden. Diese reichen nunmehr von 15 % (steuerpflichtiger Erwerb bis zu 75.000 EUR) bis 43 % (steuerpflichtiger Erwerb über 26.000.000 EUR). Die Gesetzesänderung gilt dabei für Erwerbe, die nach dem 31.12.2009 stattfinden.
Nach der Gesetzesbegründung sollen für Angehörige der Steuerklasse II (insbesondere Geschwister und Neffen) niedrigere Steuersätze als für die Personen in Steuerklasse III gelten. Die Gesetzesänderung führte aber auch dazu, dass Eltern, die von ihren Kindern Vermögen zugewendet bekommen, ebenfalls profitieren, da sie in die Steuerklasse II einzuordnen sind.
Demgegenüber haben sich die Steuersätze in der Steuerklasse III nicht verändert.
Ferner sind ab 2011 eingetragene Lebenspartner – wie Ehegatten – in die Steuerklasse I einzuordnen (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 1 ErbStG).
Keine Zusammenrechnung außerhalb der 10-Jahresfrist
Schenker S wendet seiner Tochter T am 1.2.2015 einen Geldbetrag i. H. v. 450.000 EUR zu. In 2023 beabsichtigt S, seiner Tochter noch einmal eine Geldschenkung i. H. v. 450.000 EUR zu machen.
Lösung
S sollte mit seiner Schenkung beispielsweise bis zum 2.2.2025 warten, denn damit steht T der persönliche Freibetrag erneut zu. Es findet dann keine Zusammenrechnung gem. § 14 ErbStG statt.
Die 10-Jahresfrist ist rückwärts gerichtet zu berechnen. So jetzt auch die Auffassung der Finanzverwaltung (R E 14.1 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2019). Bisher war bei der Notwendigkeit einer taggenauen Berechnung unsicher, ob § 187 BGB Anwendung findet. Klarheit brachte das Urteil des BFH vom 28.3.2012. Danach berechnet sich der 10-Jahreszeitraum nach § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 2. Alt. BGB: Hat der Letzterwerb beispielsweise am 22.12.2015 stattgefunden, beginnt der Rückrechnungszeitraum mit dem Letzterwerb am 22.12.2015 um 24 Uhr und endet am 23.12.2005 um 0:00 Uhr. Nicht einzubeziehen ist demzufolge ein Erwerb am 22.12.2005.
Der Tag des letzten Erwerbs ist also mitzuzählen (siehe auch R E 14.1 Abs. 1 Satz 5 ErbStR 2019).
Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer.
Fällt das Ende einer Frist auf einen
- Sonnabend
- Sonntag oder
- gesetzlichen Feiertag
dann endet nach § 108 Abs. 3 AO die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags. Dies gilt aber nicht für die Berechnung des Endes der Zehnjahresfrist (siehe R E 14.1 Abs. 1 Satz 6 ErbStR 2019).
Grundstücksschenkung: Aus Vorsichtsgründen taggenaue Schenkung nicht ratsam
Im Einzelfall kann es schwierig sein, z. B. bei Grundstücksschenkungen den genauen Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zu bestimmen. Einzelheiten zur Ausführung einer Grundstücksschenkung können der R E 9.1 ErbStR 2019 entnommen werden. Aus Gründen der Vorsicht ist in diesen Fällen anzuraten, die Schenkung nicht zum genauen Stichtag vorzunehmen, sondern eine gewisse Frist verstreichen zu lassen.
Vornahme der genauen Fristberechnung
Großmutter G hat ihrem Enkel EN am 6.9.2013 einen Geldbetrag i. H. v. 2300.000 EUR geschenkt. Am 6.9.2023 (Ausführung der Schenkung) wendet sie ihrem Enkel ein Grundstück mit einem gemeinen Wert von 250.000 EUR zu.
Lösung
Gemäß der zurückgerechneten Bestimmung der 10-Jahresfrist befindet sich die zweite Schenkung außerhalb des 10-Jahreszeitraums. Daher ist keine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG vorzunehmen. Dies führt dazu, dass der persönliche Freibetrag von 200.000 EUR ab 2009 bei jeder Schenkung zum Abzug kommt.
Es ergibt sich die folgende Steuerberechnung:
a) Zuwendung in 2013
b) Zuwendung in 2023
Die Zuwendung eines Grundstücks ist aber nicht erst mit der Eintragung in das Grundbuch erfolgt, sondern schon dann, wenn die Vertragsparteien die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in die Lage versetzt wird, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken (R E 9.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019). Dieses Datum kann im Einzelfall ...