Wird dem Pflichtteilsberechtigten für den Verzicht auf seinen Pflichtteil eine Abfindung gewährt, so hat das steuerliche Wirkungen. Es sind dabei die folgenden Möglichkeiten zu unterscheiden.
a) Abfindung für einen Erbverzicht nach § 2346 Abs. 1 BGB
Kommen der potenzielle Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte überein, dass letzterer auf sein zukünftiges Erbrecht verzichtet und erhält er dafür eine Abfindung, so gilt dies als Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG).
Die Abfindung kann vom Erblasser selbst, aber auch von einem Dritten erbracht werden. Gleichwohl ist der Besteuerung immer das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Verzichtenden zugrunde zu legen.
Abfindung
Zur Vorbereitung der Unternehmensnachfolge schließen Vater V und seine Tochter T am 10.1.2024 einen Erbverzichtsvertrag. Sohn S, der als künftiger Alleinerbe und Unternehmensnachfolger vorgesehen ist, zahlt an seine Schwester eine Abfindung i. H. v. 540.000 EUR.
Die Abfindung i. H. v. 540.000 EUR unterliegt bei Tochter T nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG der Schenkungsteuer. Die Steuerklasse und damit der persönliche Freibetrag bzw. Steuersatz richtet sich nach dem Verhältnis zwischen Vater V und Tochter T und nicht im Verhältnis von T zum Bruder S.
Es ergibt sich die folgende Steuerberechnung für T:
Für Tochter T ergibt sich damit eine Schenkungsteuer i. H. v. 15.400 EUR.
Soll die Abfindung zum Kauf eines bestimmten Grundstücks verwendet werden, dann sind hier die Grundsätze zur mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden. Dies hat den angenehmen Effekt, dass in die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht die Abfindungszahlung einfließt, sondern der regelmäßig niedrigere Steuerwert des Grundstücks. Wobei durch die neue Grundstücksbewertung der gemeine Wert anzusetzen ist, der durch ein typisiertes Verfahren ermittelt wird. Dieses wird zwar immer noch vielfach von dem gemeinen Wert abweichen, wobei die Abweichung aber viel geringer als bis 2008 sein dürfte.
b) Abfindung für den Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB
Wird vom Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten nur ein Pflichtteilsverzichtsvertrag vereinbart greift für die Besteuerung der Abfindungszahlung die Vorschrift § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG.
c) Abfindung für einen Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB
Der Pflichtteilsberechtigte und der gesetzliche zukünftige Erbe können einen Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB schließen, in welchem der Berechtigte gegen eine Abfindung auf seinen Pflichtteilsanspruch verzichtet. Hier liegt eine Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vom zukünftigen Erben an den Pflichtteilsberechtigten vor. Für die Erbschaftsbesteuerung des Pflichtteilsberechtigten ist – nach geänderter Auffassung des BFH – sein Verhältnis zum künftigen Erben zugrunde zu legen. Die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, richtet sich nach der zwischen den Erben maßgebenden Steuerklasse. Auch die Finanzverwaltung vertritt diese Auffassung. Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind nicht zu berücksichtigen.
Abfindung bei Erbschaftsvertrag
Die Erblasserin E wendete im Januar 2023 ihrer Tochter T einen Betrieb zu. Das begünstigte Vermögen (§ 13b ErbStG) betrug 3.450.000 EUR; Verwaltungsvermögen war nicht vorhanden. T beantragte nicht die Optionsverschonung nach § 13a ErbStG. Im Dezember 2023 schloss T – noch zu Lebzeiten der E – mit ihren zwei Brüdern B1 und B2 einen notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag. Hierin verzichtete sie für den Fall, dass sie durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ihrer Mutter ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung ihres Pflichtteilsanspruchs und auch auf etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche. Weiterhin wurde auch vereinbart, dass die Brüder B1 und B2 der T im Gegenzug eine eine Abfindung in Höhe von 250.000 Euro zu zahlen hätten, was auch im Dezember 2023 vorgenommen wurde.
Lösung:
1. Beurteilung der Schenkung des Betriebs im Januar 2023 von E an die Tochter T
Da kein Verwaltungsvermögen vorhanden ist, kann T sich für die Optionsverschonung entscheiden (vgl. auch R E 13a.21 ErbStR 2019). Dies muss sie aber beantragen, was von ihr nicht gemacht wurde. Daher ist von Amts wegen nur der 85 %-ige Verschonungsabschlag zu berücksichtigen. Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG greift nicht, da das begünstigte Vermögen hierzu zu hoch ist.
2. Beurteilung der Zahlung des Abfindungsbetrages der Brüder an die T in 2023
Die Besteuerung der Abfindung, die T von den Brüdern erhält, richtet sich im Verhältnis zu den Brüdern. Es kommt somit die Steuerklasse II zur Anwendung.