2.1 Allgemeines
Im Gegensatz zum Zivilrecht, nach dem nur ein Erbfall vorliegt, wird erbschaftsteuerlich von 2 Vermögensübergängen ausgegangen. Dies ist so, als wenn keine Vor- und Nacherbschaft angeordnet wäre, sondern das Vermögen zunächst einem Erben anfällt und anschließend dessen Erben.
Die Besteuerung sowohl des Vor- als auch des Nacherben ist verfassungsgemäß.
2.2 Besteuerung des Vorerben
Der Vorerbe ist im Erbschaftsteuerrecht, im Gleichklang mit dem Zivilrecht, Erbe des Erblassers. Und dies in zulässiger Weise, so der BFH. Besteuerungstatbestand des Vermögensübergangs auf seine Person ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Zeitpunkt der Steuerentstehung ist der Vorerbfall.
Keine Berücksichtigung bei der Besteuerung des Vorerben finden die durch die angeordnete Nacherbschaft auferlegten Beschwerungen. Diese mindern also nicht den Wert seines Erwerbs. Er wird somit als Vollerbe besteuert.
Der Vorerbe ist Schuldner der Erbschaftsteuer. Diese kann er als seine eigene Steuerschuld nicht abziehen.
Nach § 20 Abs. 4 ErbStG hat der Vorerbe die durch die Vorerbschaft entstandene Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten. Damit trifft die steuerliche Belastung den Nacherben, da sich das Vorerbschaftsvermögen entsprechend verringert.
Nimmt der Vorerbe Zahlungen zur Ablösung des Nacherbenrechts vor, dann sind diese nicht als Nachlassverbindlichkeiten bei dem Erwerb des Vorerben von Todes wegen abzugsfähig.
Die Besteuerung der Vorerben ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht ist nach Auffassung des BFH verfassungsgemäß.
Vorerbschaft
Der Erblasser EM hat seine Ehefrau EF als Vorerbin eingesetzt und seine Tochter T als Nacherbin. Die EF hat die X zur Alleinerbin eingesetzt. EM verstirbt und es tritt der Vorerbfall ein. 3 Jahre danach verstirbt auch EF, was zum Nacherbfall führt. Der eingesetzte Testamentsvollstrecker reichte die Erbschaftsteuererklärung beim Finanzamt ein. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen die X als Alleinerbin der Vorerbin EF fest.
Lösung (des BFH)
Die Erbschaftsteuer für den Vorerbfall ist nach dem Tod des Vorerben regelmäßig gegen den Nacherben und nur ausnahmsweise gegen den Erben des Vorerben festzusetzen.
Im Beispielsfall hat somit nicht X als Erbin der EF die Erbschaftsteuer (für den Vorerbfall) zu zahlen, sondern die Nacherbin T.
2.3 Besteuerung des Nacherben
2.3.1 Allgemeines
Die jeweilige Besteuerung des Nacherbfalls ist davon abhängig, ob der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ausgelöst wird (immer dann, wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat) oder aufgrund eines anderen Ereignisses. Hat der Vorerbe die Erbschaft ausgeschlagen, dann fällt die Erbschaft direkt beim Nacherben an und dieser hat sie dann auch der Besteuerung zu unterwerfen.
Nacherbe schlägt Erbschaft aus
Die verwitwete Mutter M ordnet in ihrem Testament an, dass zunächst der Sohn S als befreiter Vorerbe deren Nachlass (gemeiner Wert des Nacherbschaftsvermögens 1.200.000 EUR) erhalten soll. Nach § 13a ErbStG und § 13d ErbStG begünstigtes Vermögen soll nicht vorhanden sein.
Mit dessen Tod soll die Erbschaft auf den Enkel E (Sohn des S) als Nacherben übergehen. M verstirbt am 15.11.2023. 3 Wochen später schlägt der S als Vorerbe die Erbschaft aus.
Lösung:
- Beurteilung des S
Da dieser die Vorerbschaft ausgeschlagen hat, kommt es bei S zu keiner Besteuerung.
- Beurteilung des E
E unterliegt mit der ihm – von der M als Erblasserin – angefallenen Erbschaft der Erbschaftsteuer. Besteuerungstatbestand ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Der steuerpflichtige Erwerb von E beträgt demnach 1.000.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 1.200.000 EUR abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. H. v. 200.000 EUR). Die Erbschaftsteuer beläuft sich bei einem Steuersatz von 19 % auf 190.000 EUR.
2.3.2 Tod des Vorerben
Tritt der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ein, so hat nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG der Nacherbe seinen Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Das Erbschaftsteuerrecht weicht damit vom Zivilrecht ab, bei dem der Nacherbe vom Erblasser erbt.
Ebenso wie für den Vorerben ist beim Nacherben ein Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben.
Die anzuwendende Steue...