Wurde vom Erblasser der vermachte Gegenstand von einem erst nach dem Anfall des Vermächtnisses eintretenden bestimmten Zeitpunkts oder auch Ereignisses zugewendet, so liegt ein Nachvermächtnis vor. Hierfür kommen grundsätzlich die Vorschriften für die Vor- und Nacherbschaft zur Anwendung. Damit gelten hier auch – im gleichen Rahmen wie für die Vor- und Nacherbschaft – die Regelungen des § 13a ErbStG.
Die Erbschaftsteuer behandelt das Nachvermächtnis ebenso wie die Nacherbschaft. Gleichermaßen wie zivilrechtlich Vor- und Nachvermächtnisnehmer entsprechend dem Vor- und Nacherben behandelt werden, fingiert die Vorschrift des § 6 Abs. 4 ErbStG für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke, dass der Nachvermächtnisnehmer das Vermächtnis vom Vorvermächtnisnehmer erwirbt.
Hierbei ist aber Voraussetzung, dass die Steuer für das Vorvermächtnis vor der Steuer für das Nachvermächtnis entsteht.
Es ist damit zu unterscheiden, ob der Anfall des Nachvermächtnisses aufgrund des Todes des Vorvermächtnisnehmers erfolgt oder aus anderem Grund.
a) Tod des Vorvermächtnisnehmers
Der Nachvermächtnisnehmer hat hier das angefallene Vermögen als vom Vorvermächtnisnehmer stammend zu versteuern und nicht, wie es das Zivilrecht vorsieht, als vom Erblasser.
Für den Nachvermächtnisnehmer besteht aber auch auf Antrag die Möglichkeit, dass er im Verhältnis zum Erblasser zu besteuern ist. Geht hier auch eigenes Vermögen des Vorvermächtnisnehmers über, kommen die Sonderregelungen des § 6 Abs. 2 Satz 3 – 5 ErbStG zur Anwendung.
Besteuerung bei einem angeordneten Nachvermächtnis
Erblasser E hat testamentarisch angeordnet, dass Neffe N im Wege des Vermächtnisses ein nicht zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück erhalten soll. Der gemeine Wert für dieses Grundstück beläuft sich auf 810.000 EUR. Nach dem Tod des N soll die Tochter T (von E) das Grundstück erhalten. E verstirbt am 1.3.2029. N verstirbt 3 Jahre später, d. h. am 1.2.2024.
Lösung
N ist im vorliegenden Beispiel Vorvermächtnisnehmer und T Nachvermächtnisnehmer.
Der Tod des E führt dazu, dass N einen Erwerb von Todes wegen verwirklicht. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags i. H. v. 20.000 EUR hat N einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 790.000 EUR zu versteuern. Aus diesem ergibt sich bei einem Steuersatz von 30 % eine Erbschaftsteuer i. H. v. 237.000 EUR.
Mit dem Tod des N fällt das Vermächtnis nun der T an. Die Nachvermächtnisnehmerin T ist zwar zivilrechtlich Vermächtnisnehmerin des E, erbschaftsteuerlich hat sie aber nach § 6 Abs. 4 ErbStG i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ihren Erwerb vom Vorvermächtnisnehmer N stammend zu versteuern.
Als Cousine von N ist für T die Steuerklasse III anzuwenden. Der persönliche Freibetrag beläuft sich somit auf 20.000 EUR. Der steuerpflichtige Erwerb von T beträgt demnach 790.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 810.000°EUR abzüglich persönlicher Freibetrag i. H. v. 20.000 EUR). Die Erbschaftsteuer beläuft sich bei einem Steuersatz von 30 % auf 237.000 EUR.
T kann hier aber den Antrag stellen, im Verhältnis des E besteuert zu werden. Im Verhältnis zu E kommt ein persönlicher Freibetrag i. H. v. 400.000 EUR zur Geltung. Darüber hinaus verringert sich auch der Steuersatz von 30 % auf 15 %.
Infolgedessen verringert sich die Erbschaftsteuer für T auf 61.500 EUR (gemeiner Wert Nachlass 810.000°EUR abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i. H. v. 400.000 EUR ergibt einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 410.000 EUR). Hierauf ist dann der Steuersatz von 15 % anzuwenden.
b) Anderer Grund
Fällt das Nachvermächtnis aus anderen Gründen an, dann gilt § 6 Abs. 3 ErbStG. Damit ist für die Versteuerung des Nachvermächtnisnehmers sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen.