Seyma Bosluk, Sonja Köberlein
Jedes Projekt zur Neugestaltung von Planungs- und Forecast-Prozessen unterliegt vielfältigen Einflüssen, u. a. den zugrunde liegenden Geschäftsmodellen, Steuerungslogiken und der Unternehmenskultur und ist damit in seinen Veränderungen unternehmensspezifisch. Allerdings gibt es eine Reihe von Stoßrichtungen, die typischerweise in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommen. Jede dieser typischen Veränderungen wirkt sich auf das Verhalten der Prozessbeteiligten aus und erfordert eine Verhaltensänderung zumindest bei einem Teil der Beteiligten.
2.1 Top-down Ausrichtung der Planungsprozesse
Die Planungsprozesse werden stärker Top-down ausgerichtet – am Anfang der Planung stehen konkrete Zielvorgaben, die den Rahmen für die Planung setzen. Die Detailplanung erfolgt erst nachgelagert bzw. zu einem späteren Zeitpunkt.
Eine solche Prozessänderung erfordert aufseiten des Top-Managements und zentralen Controllings die Bereitschaft, ohne vorherige Bottom-up Planung der dezentralen Einheiten und auf Basis anderer Quellen Zielvorgaben für die dezentralen Einheiten aufzustellen. Aufseiten der dezentralen Einheiten muss verstanden werden, dass ein solches Vorgehen besser für das Unternehmen ist und auch für sie der Prozess dadurch effizienter wird.
Der Übergang zum Top-down Ansatz dürfte die größte Herausforderung für ein Change Management sein, da eine etwaige variable Vergütung von Führungskräften zumindest teilweise von der Erreichung von Planwerten abhängt. Hier muss sichergestellt werden, dass, wenn das Unternehmen von einer besseren Steuerung profitiert, auch alle Führungskräfte im Unternehmen profitieren. Die Incentivierung auf Basis Bottom-up verhandelter Ziele muss durch neue Formen des Anreizwesens abgelöst werden.
2.2 Forecast-Werte auf Basis von Vorschlagswerten
Die Forecast-Werte werden nicht mehr Bottom-up eingesammelt und über mehrere Leitungsebenen abgestimmt, sondern auf Basis von Vorschlagswerten nur noch auf einer Ebene geprüft und angepasst, dabei kommen Automatisierungslogiken zum Einsatz.
Bei einem solchen Vorgehen kann das Management kein "Commitment" auf den Forecast mehr einfordern, denn der Forecast hat keinen Ziel-Charakter. D. h. es müssen im Rahmen des Forecasts auch schlechte Nachrichten akzeptiert werden und bei guter Entwicklung der Forecast-Zahlen dürfen die Ziele nicht automatisch erhöht werden. Alle Beteiligten müssen verstehen, dass nur bei einem neutralen, unverfälschten Forecast das Unternehmen die richtigen Steuerungsinformationen erhält. Andernfalls wird der Forecast bei zu positiven oder negativen Ergebnissen irrelevant oder es kommt zu einer Fehlsteuerung.
2.3 Zugrunde liegende Datenmodelle
Das Datenmodell, also die Inhalte von Planung und Forecasting verändern sich. Statt umfangreicher Konten und Buchhaltungsgrößen liegt der Fokus nun auf operativen Treibern und aggregierten Finanzkennzahlen.
Hier müssen die Empfänger von Planungs- und Forecast-Informationen verstehen, dass ein Teil der bisherigen detaillierten Informationen nicht mehr betrachtet werden. So kann z. B. die Frage nach der Entwicklung der Reisekosten nicht mehr beantwortet werden. Entsprechend darf das Management solche Informationen nicht mehr einfordern, weil sonst die Veränderung konterkariert wird.
Beteiligte Controller müssen verstehen, dass zu detaillierte Plan- und Forecast-Werte eine Scheingenauigkeit suggerieren. Die Erklärung von Abweichungen mit immer detaillierteren Plan- und Forecast-Werten hat keinen Mehrwert für das Unternehmen.
2.4 Tool-Unterstützung
Die Planungs- und Forecast-Prozesse werden durch ein professionelles IT-Tool unterstützt, wodurch die Prozesse effizienter und schneller werden, zudem wird die Generierung der Planwerte transparenter.
Damit dies zum Tragen kommt, müssen verschiedene Vorbehalte gegenüber dem neuen Tool bei den Beteiligten überwunden werden: grundsätzliche Bedenken gegenüber Effizienzsteigerung durch mehr Automatisierung, Skepsis bzgl. des Verlusts an Flexibilität und des aufgebauten Expertenwissens verbunden mit der bisherigen Tool-Unterstützung und Ängste, mit dem neuen Tool überfordert zu sein. Es muss gelingen, dass die Beteiligten das neue Tool nicht als Bedrohung, sondern als Chance für ihre Arbeit begreifen.