Change Management als Herausforderung für Controller

Aktives Change Management muss Veränderungen begleiten. Diese Verantwortung sollen im Betrieb auch Controller übernehmen. Heinz-Josef Botthof beschreibt, warum gerade Controllerinnen und Controller eine treibende Kraft für einen Wandel sein können.

Die Geschwindigkeit von Veränderungen im gesamten wirtschaftlichen Umfeld und somit auch in den Unternehmen nimmt weiterhin zu. In schwierigen Situationen müssen schnelle Entscheidungen getroffen und Maßnahmen beschleunigt umgesetzt werden. Gleichzeitig aber nimmt die Beständigkeit von angewendeten Lösungen immer weiter ab. Was gestern noch gut war, ist heute veraltet. Aktives Change Management muss Veränderungen begleiten.

Unternehmen im Wandel der Zeit

Controller sollen während dem Wandel im Unternehmen zum einen die geplanten Maßnahmen in wirtschaftlicher Hinsicht absichern und zum anderen ein ganzheitliches Bild erzeugen. Wandel nur um zu verändern, macht keinen Sinn. Den Maßnahmen muss stets eine präzise Analyse vorausgehen. Dabei geht es auch um mögliche Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Aktivitäten, Zielen und Bereichen.

Das Spannungsfeld

Ein zentraler Treiber für Veränderungen ist die zunehmende Komplexität. Sachverhalte sind nicht mehr in einem Kopf allein zu klären. Wir benötigen die Fähigkeiten verschiedener Menschen, um eine tragfähige Lösung zu erreichen. Das erfordert mehr Abstimmung und natürlich eine zielorientierte Kommunikation. Die Dynamik bestimmt, in welcher Veränderungsgeschwindigkeit Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das erhöht den Druck auf die Bereiche in den Unternehmen, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, damit man die Wettbewerbsfähigkeit nicht verliert. Hier zeigt sich auch, dass Routinen eine deutlich geringere Halbwertszeit haben. Aktuell zu sein bedeutet permanente Anpas-sungen und damit ständiges Lernen neuen Systeme, Methoden und Verfahren.

Garniert wird die Spannung noch durch einen chronischen Zeitmangel auf allen Positionen. Das belastet die Qualität der Kommunikation. Alles wird hoch verdichtet, um in kurzer Zeit besprochen werden zu können. Das ist gerade bei einem Gespräch mit unterschiedlichen Fachbereichen ein extremes Risiko für Missverständnisse. Online-Formate verschärfen diese Schwierigkeiten oft noch. Als letzter Punkt im magischen Viereck kommt die Knappheit an Ressourcen hinzu. Insbesondere geht es dabei um die Anzahl der im Geschäftsbereich vorhandenen Personen. Wenn nicht genügend Personen verfügbar sind, wird jeder Betroffene für sich persönlich ganz klare Prioritäten setzen, um die ihrer/seiner Stelle zugewiesenen Aufgaben bewältigen zu können. Nun macht am Ende jeder "seins" und das große Ganze bleibt auf der Strecke.

Veränderung als permanenter Wandel

Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Veränderungen. Jede Veränderung bringt Unruhe in die Unternehmen, weil die vorher vorhandenen Routinen nicht mehr funktionieren. Nach der Veränderung stellen sich dann nach einiger Zeit neue Gewohnheiten ein. Früher konnte diese Routine dann einige Jahre genutzt werden, bevor es den Anstoß für eine neuerliche Veränderung gibt. In den letzten Jahren sind die Zyklen der Veränderungen immer kürzer geworden. Gefühlt ist eine Veränderung noch nicht abgeschlossen und die nächste ist schon in Arbeit. Dieser Zustand verunsichert insbesondere Mitarbeiter, die mehr nach Stabilität als nach Flexibilität suchen. Die für Menschen wichtige Routine findet gefühlt und oft auch real nicht mehr statt.

Diese Situation wird als permanenter Wandel beschrieben. Branchenübergreifende Konzentrationsprozesse, kapitalintensive Internationalisierungstendenzen, zunehmender Preisdruck und rasante technologische Entwicklungen führen zu völlig neuen Geschäftsbeziehungen. Diese Herausforderungen können Unternehmen nur dann meistern, wenn sie ihre Strukturen und Prozesse anpassen und dem permanenten Wandel mit einer hohen Flexibilität begegnen. Wichtig dabei ist, dass auch die Mitarbeiter diesen Wandel unterstützen und leben müssen!

Warum aber gerade Controller?

Controller können in der Rolle als Change Agents eine treibende Kraft in diesem Wandel sein! Controlling ist eng mit den Prozessen im Unternehmen verbunden und begleitet die Geschäftsfelder mit der zahlenbasierten Steuerung. Daher sind gerade Controller wichtig, denn sie sehen das Gesamtbild. Für die gute Begleitung und Steuerung der Veränderung ist das ein großer Vorteil. So setzt ein Team Lösungen um, die aufeinander abgestimmt sind. Reibungen zwischen einzelnen singulär angestoßenen Veränderungen können vermieden werden.

Häufig werden Controller zu spät eingebunden. Entscheidungen wurden getroffen und dann stellt man später fest, die einzelnen Mosaiksteine passen nicht wirklich zusammen. Das Gesamtbild hakt. Nun steuern oft dominante Bereiche den Wandel. Die Qualität wird dadurch oft gemindert, weil das Gesamtbild nicht den Fokus bildet. Controlling soll also nicht in die Rolle der reagierenden Einheit drängen lassen und den Schaden begrenzen, sondern ganz aktiv die Veränderungen initiieren. Das beginnt meist mit einem Vorschlag und einer anschließenden kontroversen Diskussion.

Die Realität rund um Wandel in den Unternehmen

Die heutige Unternehmensrealität sieht leider vielfach anders als der Idealfall aus. Die Akteure im Unternehmen begleiten Veränderungen nicht konsequent genug. Man hofft, dass die Neuerungen durch learning by doing funktionieren und nutzt im Bedarfsfall das Instrument „Druck“, um die Veränderungen zum Abschluss zu bringen.

Durch permanenten Wandel werden Routineabläufe und Ruhezyklen in Unternehmen immer seltener. Viele Mitarbeiter sind mit der Komplexität von Veränderungen und deren Tempo überfordert. Widerstände bauen sich auf und führen dazu, dass ca. 70 % aller angestrebten, notwendigen Reformen scheitern. Verärgerung, Frustration, Demotivation und letztlich Fluktuation sind die Folgen. Um diese Ressourcenverschwendung zu vermeiden, gilt es, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Mitarbeiter Veränderungen positiv aufnehmen und permanenten Wandel zur Normalität zählen. Hier setzt das Change Management ein.

Change Management als Chance

Change Management ist die Gesamtheit aller Aktivitäten zur Handhabung von Veränderungen. Mit der Umsetzung eines konsequenten Change Managements bietet sich die Möglichkeit, Veränderungen als Entwicklungschancen zu begreifen und Wandel als etwas völlig Natürliches verstehen und leben zu können.

Change Management gilt heute leider häufig eher als zeit- und kapitalintensiver „sozialer Schnickschnack“, statt als wichtiges strategisches Instrument mit langfristigem Nutzen für das Unternehmen. Proaktives Change Management kann als "Frühwarnsystem" eingesetzt werden, das zum Handeln führt, bevor sich Probleme im Unternehmen offenbaren. Reibungsverluste beim Wandel lassen sich nur durch eine optimale Einbindung der Mitarbeiter in die Veränderung minimieren – es gilt der Grundsatz "Betroffene zu Beteiligten zu machen". Um diesen Grundsatz optimal zur Wirkung zu bringen, müssen Unternehmen frühzeitig starten und sich Zeit für die Mitarbeiter nehmen.

Der Faktor "Mensch"

Der Mensch ist grundsätzlich veränderungsscheu. Unwissenheit, Verunsicherung und oft sogar Angst sind hier die treibenden Faktoren. Der Ist-Zustand ist bekannt, wird routiniert beherrscht, gibt Sicherheit und persönliche Bestätigung. Die Veränderung hingegen ist neu und vor allem unbekannt. Mangelnde Information über die anstehende Veränderung ist somit der wesentliche Grund für bestehende Ängste. Daher gilt es, die Chancen der Veränderung transparent darzustellen und der Belegschaft verständlich zu vermitteln. Neben dem Nutzen für das Unternehmen müssen dabei vor allem auch die persönlichen Vor- aber natürlich auch eventuelle Nachteile für die Mitarbeiter verdeutlicht werden. Der Mitarbeiter muss die Veränderung als sein Anliegen und nicht als Wunsch des Unternehmens begreifen. Offene und ehrliche Kommunikation ist eine zwingende Anforderung in diesem Prozess. Controller haben häufig genau diese zentralen Informationen. So könnte beispielsweise das Reporting genutzt werden, um die Führungskräfte für die jeweiligen Themen zu sensibilisieren. Gleichfalls können Reports genutzt werden, um die Veränderung zu begleiten. Im Change Prozess sind Controller allerdings oft nicht eingebunden. Das muss ein erster Schritt sein, in der Diskussionsphase von Veränderungen eingebunden zu werden.

Der Faktor Mensch im Veränderungsprozess

Worauf kommt es an?

Maßnahmen im Change Management sollen im Vorfeld des Veränderungsprozesses den Boden bereiten, eine Kulturveränderung im Unternehmen und eine Bewusstseinsveränderung beim Mitarbeiter bewirken. Die ersten Prozesse müssen daher starten, bevor die Veränderung eingeleitet wird. Die Basis ist eine gründliche Analyse der Situation. Dabei geht es nicht nur um die technische oder wirtschaftliche Umsetzbarkeit, sondern insbesondere um die Frage wie aufnahmebereit die Belegschaft für die Veränderung ist und welcher Kenntnisstand bei den Mitarbeitern für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich ist. Qualifizierungsmaßnahmen können dann schon mit einem sehr großen zeitlichen Vorlauf Zug-um-Zug geschehen. Denn:

Der Wandel findet in den Köpfen statt!

Fazit: Erfolgreich ist eine Veränderung erst dann, wenn der neu geschaffene Zustand von der Belegschaft reibungsarm umgesetzt werden kann. Die alleinige technische Umsetzung – insbesondere bei IT-Projekten – genügt keinesfalls. Ein hochkarätiges Miteinander fördert die Akzeptanz und ebnet den Weg für erfolgreiche Veränderungen. Veränderungen müssen wir so gestalten, dass wir den Nutzen bzw. den Erfolg ohne länger andauernde Nacharbeiten erreichen. Der Schlüssel zum Erfolg ist "die Betroffenen zu Beteiligten zu machen".

Der Artikel erschien erstmals im Controller Magazin 3/2022


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