Change Management statt Krisenbewältigung: Neue Rolle des Controllings?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Größere Veränderungen verunsichern ihn, wenn Position, Sicherheit und persönliche Bestätigung in Gefahr sind. Firmen sind gezwungen, auf die Außenwelt zu reagieren. Seien es geänderte Anforderungen von Kunden, zunehmender Preisdruck oder branchenübergreifende Konzentrationsprozesse. Die heutigen Herausforderungen können Unternehmen nur dann meistern, wenn sie möglichst vorausschauend agieren.
Unternehmen im Wandel der Zeit
Unternehmen müssen sich stetig auf neue Situationen einstellen. Die Mitarbeiter sollten dabei der Motor des Wandels sein – oder sie bremsen und verhindern notwendige Anpassungen. Damit stellt sich folgende Frage: Warum nicht besser gleich in Change Management investieren?
Die VUCA-World führt in vielen Unternehmen zu einer reflexartigen Verhaltensweise. Es kommt ein Impuls von außen und sofort will man als Unternehmen darauf reagieren. Schließlich sind wir in einem scharfen Wettbewerb. Wir machen uns nicht mehr die Mühe, die Konsequenzen des Handelns zu durchdenken. Wir haben keine Zeit und müssen schnell handeln. Somit sehen wir nur noch den Zwang zur Reaktion. Wir leben und arbeiten im Hier und Jetzt und gerade in der aktuellen Zeit gibt es oft die Aussage: Wir fahren auf Sicht! Begründet wird es häufig damit, dass die Zukunft viel zu unsicher sei und man zu viel Zeit investieren müsse, um klare Fakten zu erlangen. Dieses Verhalten führt zu ständigen Veränderungen und ist eine enorme Irritation und Belastung für die Belegschaft.
Controlling als Begleiter im Wandel
Gerade hier kann Controlling eine wichtige Rolle übernehmen. Durch Simulationen und differenzierte Bewertungen der Situation können Annahmen mit Wahrscheinlichkeiten belegt werden und man erhält eine sehr gute Basis für die Entscheidungen. Unsicherheiten werden dadurch nicht beseitigt – allerdings reduzieren wir die Risiken.
Für den Bereich Controlling ist die eingeschränkte Betrachtung zudem unbefriedigend. Der Weitblick ist ein Teil unseres Handelns. Selbst wenn wir die Unsicherheit nicht beseitigen können, hilft es oft, zumindest Erklärungsvarianten zu liefert. Der Bereich Controlling kann sein Image im Unternehmen massiv verbessern und den Nutzen für die Fachbereiche erheblich steigern, wenn es gelingt, die Zukunft "sichtbarer" zu machen. Das kann eine der Kernaufgaben des Controlling werden.
Dazu muss sich Controlling einbringen dürfen. Oft wird der Bereich Controlling bei generellen Veränderungen nicht involviert, es sei denn, die Abteilung ist selbst betroffen. Die Unterstützung werden Controller nur dann erbringen, wenn sie aktiv eingebunden werden. Aus meiner Sicht sollte der Bereich aber auch selbst aktiv werden und sich mit den vorhandenen Möglichkeiten in Veränderungsprozesse einbringen. Agieren statt reagieren ist die Devise.
Reaktionen in Unternehmen
Veränderungen werden oft sehr spät in Angriff genommen. Nun entsteht automatisch ein Zeitdruck, der den Wandel zusätzlich belastet. In manchen Fällen wird sogar so lange gewartet, bis der Handlungsdruck über eine Krise ausgelöst wird. In einer Krise findet man oft eine mutlose Belegschaft, die einfach nur die Situation überwinden will. Manchmal bedeutet es Abwarten und Aussitzen. Das löst natürlich keine Krise.
In solchen Situationen kann man nur noch Schadensbegrenzung betreiben, aber nicht mehr aktiv gestalten und sich auf die zukünftigen Anforderungen gezielt und bewusst ausrichten. In der oft spürbaren Hektik geht zudem Schnelligkeit vor Qualität. "Lieber eine schnelle Lösung, als fortgesetzt zu diskutieren und weitere Verzögerungen in Kauf nehmen". Im Fokus haben alle den Leidensdruck zu mindern oder zu beseitigen.
Rolle der Controller
In einer Krise ist ein für alle Beteiligten eingetretener Mangel oder Schaden sichtbar. In den meisten Fällen war die Situation schon lange vorher zu erkennen. In den Berichten des Controllings konnte man die Tendenz schon lange ablesen. Allerdings wollte das niemand wirklich hören. Eventuell hat den Controllern auch der Mut gefehlt, die Situation klar zu benennen. Wer hört schon gerne negative Zahlen insbesondere dann, wenn sie auf zahlreichen Annahmen basieren. Dann ist es einfach sie zu negieren und die Situation herunterzuspielen. Controlling muss in solchen Lagen vehement die Situation erklären und vertreten. Selbstverständlich müssen die Aussagen über die Stufe der "Wir gehen davon aus .." hinauskommen. Die Vorschläge müssen belegbar oder mit Wahrscheinlichkeiten ausgestattet sein. Selbstverständlich sind Annahmen erlaubt. Für den Bereich Controlling bedeutet es, die Situation mutig zu benennen. Dazu sind Meetings oft schlecht geeignet. Besser sind Vier-Augengespräche mit Entscheidern. Jetzt kann man ungeschminkt die Lage darstellen und mögliche Maßnahmen diskutieren. Dies erfordert selbstbewusstes Auftreten und Mut, gehört aber zur Rolle des Controllings. Mit einer Portion Diplomatie und klar empfängerorientierter Kommunikation kann der Austausch optimiert werden.
Menschen und Veränderungen
Solange Mitarbeiter über einen neuen Weg ausreichend informiert werden und sie den Nutzen erkennen, sind sie bereit, die neuen Schritte mitzugehen. Menschen sind nämlich nicht nur Gewohnheitstiere, sie sind auch ungemein flexibel – wenn sie den Sinn in der Veränderung sehen.
Die Realität sieht aber leider oft so aus, dass Verantwortliche jedes Detail in der technischen oder betriebswirtschaftlichen Umsetzung regeln, nicht aber an die Mitarbeiter denken. Viele von ihnen fühlen sich von der Komplexität und dem Tempo der Veränderungen schlicht überfordert. Das Ergebnis: Die eigentlichen Träger des Wandels blockieren. Druck erzeugt Gegendruck, selbst wenn es sich um scheinbar kleine Abweichungen der bisherigen Routinen handelt, etwa um neue Funktionalitäten in einer Software. Der Druck wird umso größer, je tiefer die Veränderungen in die Prozesse eingreifen, sich die Arbeit und damit das persönliche Beziehungsnetz ändern.
Controller sind nun oft im Schlepptau des Managements und vertreten deren Vorstellung. Bei aller Loyalität ist es in solchen Situationen als Controller auf die Umsetzungsrisiken hinzuweisen, die sich auf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergeben.
Ableiten kann man diesen Gegendruck, wenn die Mitarbeiter von Anfang an über die neuen Maßnahmen informiert werden. Wir müssen "Betroffene zu Beteiligten machen". Das ist zwar kein neuer Grundsatz, er passt aber nach wie vor und wird auch in Zukunft anwendbar sein. Seien Sie als Controller durchaus der Initiator für dieses Handeln.
Wie macht man aus Betroffenen Beteiligte? Unter anderem durch klare Information an die Mitarbeiter, noch bevor Gerüchte entstehen. Auch die Beteiligung aller betroffenen Mitarbeiter, sowie die Durchführung von Trainings und Coachings sind wichtige Punkte. Umgesetzt werden diese Maßnahmen von Personen, die im Unternehmen eine hohe Akzeptanz genießen und den Veränderungsprozess auch inhaltlich überzeugend begleiten können. Diese so genannten Change Agents können beispielsweise durch Trainings auf ihre Rolle vorbereitet werden. Wenn sie zudem als Vorbilder anerkannt sind, erleichtert und verstärkt es ihre Wirkung.
Durch Kulturveränderung zum erfolgreichen Wandel
Noch besser als mit einzelnen Maßnahmen auf anstehende Veränderungen zu reagieren ist es, eine Kultur des Wandels in ein Unternehmen einziehen zu lassen. Das erfordert Bereitschaft, und vor allem die Einsicht in der Führungsetage, dass Change Management eine Haltung ist, die sich langfristig auszahlt. Wir müssen Wandel als Entwicklung begreifen. Voraussetzung dafür ist, dass sich Unternehmen als lernende Organisationen verstehen. In ihnen
- sorgen Führungskräfte für Bedingungen, die das Lernen stimulieren,
- ist es erlaubt, Fehler zu machen,
- wird bereichs- und hierarchieübergreifend gut zusammengearbeitet,
- honorieren Anerkennungssysteme lern- und veränderungsorientierte Einstellungen,
- ist eine Einflussnahme auf die Gestaltung von Veränderungen erwünscht und
- wird eine Streitkultur gepflegt.
So begriffen ist Change Management eine permanente Aufgabe, die auch das obere Management im Fokus haben sollte. Controlling kann einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung liefern. Denn eines steht fest: Die Veränderungsgeschwindigkeit wird weiter rasant zunehmen.
Instrumente und Maßnahmen
Eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung eines Veränderungsprozesses ist die aktive Einbindung der Führungskräfte. So muss das Management "top-down" die Rahmenbedingungen festlegen und die notwendigen Entscheidungen bezüglich der Change Management-Maßnahmen treffen. Die Belegschaft wird dann "bottom-up" beteiligt. Das muss gut koordiniert werden und ist die Aufgabe derer, die Veränderungen gestalten und begleiten. Controlling kann solche Aufgaben aktiv mitübernehmen – auch in anderen Fachbereichen.
Das Spektrum der möglichen Instrumente und Maßnahmen ist sehr vielfältig und muss vor dem Hintergrund des jeweiligen Unternehmens, seiner Kultur, der anstehenden Veränderungen und seiner Menschen sorgsam ausgewählt werden. Die Auswahl der Instrumentarien aus den Bereichen Diagnose, Information, Qualifikation, Motivation, Organisation, Planung und Controlling sowie Marketing erfolgt nach den drei Grundsätzen des Change Managements:
- klare Information der Mitarbeiter,
- Beteiligung aller Betroffenen, sowie
- Qualifizierung durch Trainings und Coachings.
Ein sinnvoller Einstieg sind Informationsveranstaltungen, bei denen Ziele und Gründe der Veränderung verdeutlicht werden. Kalkulationen mit ihren Annahmen und Wahrscheinlichkeiten werden vorgestellt.
Nach einem frühzeitigen Beginn der Change Management-Maßnahmen gilt es regelmäßig über den Projektverlauf zu informieren. Dazu sind Hauszeitung, Info-Ecke, schwarze Bretter, Plakate, Info-Broschüren, E-Mail-Newsletter oder auch regelmäßige Talk-Runden geeignet. Bitte das Reporting aus dem Controlling nicht vergessen. Wir liefern diese Reports regelmäßig und können durch dieses Instrument einiges erreichen. Koordiniert und umgesetzt werden diese Maßnahmen insbesondere durch die Change Agents.
Fazit: Wir müssen erkennen, dass sich die Welt radikal verändert. Das unternehmerische Handeln vollzieht sich unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen. Wir brauchen in den Unternehmen veränderungsbereite und -fähige Belegschaften. Das Personal muss die Veränderungen als etwas völlig Normales betrachten, das als notwendige Entwicklung zu einem Unternehmen dazugehört. Dies erfordert umfassende Bewusstseinsbildung.
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