Leitsatz

Ergänzungsbescheide dürfen einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheides korrigieren oder die im ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern.

 

Sachverhalt

Im Urteilsfalll ging es um eine Steuerpflichtige, die außerhalb ihres Wohnsitzes im Bezirk eines anderen Finanzamtes einen Gewerbebetrieb betrieb und daher zur Abgabe einer gesonderten Feststellungserklärung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2b AO) verpflichtet war. In der Feststellungserklärung erklärte sie einen laufenden Gewinn in Höhe von 400.000 DM und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 200.000 DM. Der Gewinnfeststellungsbescheid enthielt die handschriftlich Eintragung eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von 600.000 DM sowie die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dagegen fehlte eine Feststellung über den Umfang der Einkünfte, der der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG unterlag. Der Bearbeiter des Finanzamtes hatte die übrigen freien Eintragungsfelder auf der Vorderseite des Feststellungsbescheides mit einem senkrechten durchgehenden Strich durchzogen.

Nach Rechtskraft des Feststellungsbescheides beantragte die Steuerpflichtige den Erlass eines Ergänzungsbescheides gem. § 179 Abs. 3 AO zwecks Nachholung der Feststellung der tarifbegünstigten Einkünfte. Das Finanzamt lehnte dies ab mit dem Hinweis, in dem Feststellungsbescheid sei die falsche Entscheidung getroffen worden, dass keine gem. § 32c Abs. 2 EStG tarifbegünstigten gewerblichen Einkünfte vorliegen.

 

Entscheidung

Das Gericht folgte dem Antrag der Steuerpflichtigen und verpflichtete das Finanzamt, die Feststellung hinsichtlich des Umfangs der tarifbegünstigten gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 32c Abs. 2 EStG im Rahmen eines Ergänzungsbescheides (§ 179 Abs. 3 AO) nachzuholen. Mit einem Ergänzungsbescheid wird nicht ein Fehler im Sinne einer materiellen Unrichtigkeit des bisherigen Feststellungsbescheides berichtigt, sondern der bereits vorhandene Bescheid lediglich um eine bisher unterbliebene Feststellung ergänzt. Ein derart ergänzungsbedürftiger Bescheid liegt vor, wenn der Feststellungsbescheid keine Feststellungen dazu enthält, in welchem Umfang die festgestellten Einkünfte zu den gewerblichen Einkünften gehören, die der Tarifbegünstigung nach § 32c EStG unterliegen. Insoweit handelt es sich um eine unterbliebene notwendige Feststellung. Wird im Feststellungsbescheid die Spalte "gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 32c Abs. 2 EStG" nicht ausgefüllt, bedeutet dies, dass die insoweit notwendige Feststellung unterblieben ist. Der vom Bearbeiter des Finanzamtes durch die nicht ausgefüllten Felder senkrecht gezogene Strich kann nicht dahingehend verstanden werden, dass zu den einzelnen möglichen Feststellungen auch tatsächlich jeweils - negative - Entscheidungen getroffen worden sind. Vielmehr dokumentiert dies nur die Absicht des Bearbeiters, den handschriftlich ausgefüllten Bescheid vor weiteren, unberechtigten Eintragungen zu schützen. Für eine negative Feststellung hätte es dagegen der Eintragung einer 0 oder zumindest eines Querstrichs oder eines Minuszeichens in das entsprechende Feld bedurft.

 

Hinweis

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, einen Steuer- oder feststellungsbescheid nach Erhalt sorgfältigst zu prüfen, um eventuelle Einwendungen noch im Einspruchsverfahren geltend machen zu können. Auch wenn die Steuerpflichtige im Urteilsfall obsiegt hat, ist die Möglichkeit, ein Begehren über den Erlass eines Ergänzungsbescheides durchzusetzen, aufgrund der erforderlichen besonderen Voraussetzungen sicherlich eher die Ausnahme.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 03.12.2003, 12 K 262/99

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