Leitsatz
1. Es bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG 1995 vom 23.6.1993 in der für den Veranlagungszeitraum 2002 geltenden Fassung.
2. Die Frage, ob eine Ergänzungsabgabe i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG nur befristet erhoben werden darf, ist bereits (im verneinenden Sinn) durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt.
Normenkette
Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, SolZG 1995
Sachverhalt
Ein Steuerpflichtiger hatte sich dagegen gewandt, dass noch im Jahr 2002 der Solidaritätszuschlag zu seiner ESt erhoben worden war. Das FG hatte seine Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision ebenfalls nicht zugelassen. Über die Frage, ob der Solidaritätszuschlag von Verfassungs wegen auch noch im Jahr 2002 erhoben werden durfte, könne nur so – bejahend – entschieden werden, wie es das FG getan hat. Aus den gesetzgeberischen Motiven für die Einführung des Solidaritätszuschlags folge nicht, dass seine weitere Erhebung noch im Jahr 2002 verfassungswidrig sei.
Hinweis
1. Verfassungsrechtliche Zweifel an einer entscheidungserheblichen Vorschrift erfordern – im Beschwerdeverfahren nach § 116 Abs. 1 FGO: wenn sie ausreichend dargelegt sind (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) – im Allgemeinen die Zulassung der Revision. Anders ist es, wenn sie eindeutig unbegründet sind; denn klar und eindeutig zu beantwortende Rechtsfragen verschaffen einer Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
2. Der sog. Solidaritätszuschlag ist unbeschadet seiner Bezeichnung als Ergänzungsabgabe eine Steuer. Er knüpft nämlich an die ESt bzw. KSt an und stellt eigentlich nur eine verschleierte Tariferhöhung bei diesen Steuern dar.
3."Ergänzungsabgabe" ist allerdings ein (finanz-) verfassungsrechtlicher Begriff (vgl. BVerfG-Beschluss in BStBl II 1972, 408). Eine zeitliche Befristung gehört aber nicht zum Wesen einer Ergänzungsabgabe i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG; aus der nunmehr 17 Jahren währenden Erhebung des Solidaritätszuschlags lässt sich deshalb gegen seine Verfassungsmäßigkeit nichts herleiten. Der Verfassungsgesetzgeber hat bei der Zulassung von Ergänzungsabgaben im Finanzverfassungsgesetz 1955 zwar die Vorstellung gehabt, solche Abgaben sollten "Bedarfsspitzen" ausgleichen. Eine verfassungsrechtlich wirksame zeitliche Begrenzung der Erhebung solcher Abgaben ergibt sich daraus nach der Rechtsprechung des BVerfG aber nicht. Aus den gesetzgeberischen Motiven in dieser Hinsicht dürften sich auch schwerlich handhabbare verfassungsrechtliche Kriterien ableiten lassen, wann ein aus bestimmtem Anlass erlassenes Gesetz nach Erledigung seines Zwecks verfassungswidrig wird und unter welchen Umständen es ggf. aufgrund anderer, neuer Zielsetzungen in Geltung gelassen werden darf.
4. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags (zugunsten des Bundes) höhlt die dem Bund und den Ländern gemeinsam zustehende ESt und KSt angesichts seiner relativ geringen Höhe auch nicht aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 28.6.2006, VII B 324/05