Verhandlung im Revisionsverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
Die Entscheidung des Gerichts wird am 30.1.2023 verkündet. Das sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling zum Abschluss der mündlichen Verhandlung. Eine Tendenz ließ der IX. Senat jedoch nicht erkennen.
Hintergrund: Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Das beklagte Finanzamt setzte die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 in Höhe von vierteljährlich 453 EUR, später 340 EUR, fest. Die Kläger beantragten (erfolglos) die Herabsetzung der Vorauszahlungen auf 0 EUR. Zur Begründung beriefen sie sich auf das Auslaufen der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019. Da der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden dürfe, verbiete dieser Ausnahmecharakter eine immerwährende Erhebung. Den gegen die Ablehnung gerichteten Einspruch wies das Finanzamt unter Hinweis auf seine Bindung an die Steuergesetze zurück.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Finanzgericht hat der dagegen gerichteten Klage nur teilweise stattgegeben. Es hat den Vorauszahlungsbescheid dahingehend geändert, dass die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 1.1.2021 – in Übereinstimmung mit den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen – auf vierteljährlich 19 EUR herabgesetzt werden. Im Übrigen hat es die Klage unter Hinweis auf seine fehlende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995 für Veranlagungszeiträume ab 2020 abgewiesen.
Das Finanzamt hat zwischenzeitlich die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 1.1.2021 an das Finanzgerichtsurteil angepasst. Zudem hat es den Jahresbescheid für 2020 erlassen und den Solidaritätszuschlag auf 2.078,56 EUR festgesetzt.
Rechtliche Problemstellung
Der BFH muss sich in dem Verfahren mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995 auseinandersetzen. Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes. Die Kläger sind der Ansicht, dass der – unbefristet erhobene – Solidaritätszuschlag mit dem Auslaufen des sog. Solidarpakts II am 31.12.2019 sowie der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs seine Rechtfertigung verloren habe. Daher verstoße die Erhebung des (verfassungsgemäß) eingeführten Solidaritätszuschlags nunmehr gegen das Grundgesetz.
Darüber hinaus halten die Kläger die ab 2021 erfolgende Rückführung des Solidaritätszuschlags für verfassungswidrig. In dem Umstand, dass seit dem Veranlagungszeitraum 2021 nur noch rund 10 % der Steuerpflichtigen den Solidaritätszuschlag zahlen müssen, sehen sie vor allem einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Der BFH wird zudem entscheiden müssen, ob er – wie von den Klägern angeregt – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholt. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht setzt voraus, dass der BFH das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 für verfassungswidrig hält.
Position des BMF geändert
Das BMF war ursprünglich dem Rechtsstreit unter dem damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz beigetreten. Unter dem neuen Bundesfinanzminister Christian Lindner hat das BMF seine Verfahrensbeteiligung jedoch zurückgezogen, wie BFH-Präsident Thesling sagte. Dies zeigt, dass Lindner, der den Solidaritätszuschlag ohnehin gern abschaffen würde, kein Problem damit hätte, wenn der Solidaritätszuschlag schließlich höchstrichterlich gekippt werden sollte.
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