Rz. 1
Bei Unternehmen des öffentlichen Interesses (sog. Public Interest Entities) befindet sich die externe Berichterstattung spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009 in einer zentralen Umbruchphase. Aufgrund der zunehmenden Komplexität durch die Megatrends der Vernetzung und Digitalisierung, die nicht selten disruptive Geschäftsmodelle zur Folge haben, ist die traditionelle Finanzberichterstattung (Jahres- und Konzernabschluss sowie (Konzern-) Lagebericht) immer weniger in der Lage, den Unternehmenswert angemessen zu erklären. Daher verschiebt sich aus der Erkenntnis der teilweise erschreckenden Kurzlebigkeit von Erfolgsfaktoren das Informationsbedürfnis unterschiedlicher Stakeholdergruppen zunehmend auf die Metaebene der Unternehmensabbildung, die eine Beschreibung der Verankerung des Unternehmens in ökologischer und gesellschaftlicher Hinsicht sowie der konkret handelnden Akteure und deren Zusammenwirken münden. Vor diesem Hintergrund ist die nichtfinanzielle Berichterstattung, u. a. auch das Corporate Governance Reporting, seit vielen Jahren eine unverzichtbare Säule der Kapitalmarktkommunikation geworden, die auch aktuell durch eine verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht auf Basis europäischer Vorgaben weiteres Gewicht erhält. Dabei rückt auch die Bedeutung der Governance bei der international stets ESG (Environment, Social, Governance) abgekürzten Nachhaltigkeitsbetrachung immer weiter in den Vordergrund – eine Berichterstattung ist kaum glaubwürdig, wenn nicht den dahinterliegenden Regelungen und Maßnahmen sowie deren Anwendung und Umsetzung vertraut werden kann. Unter Corporate Governance Reporting kann eine in sich geschlossene und regelmäßige externe Berichterstattung der Verwaltungsorgane der Unternehmen (i. d. R. Vorstand und Aufsichtsrat) an die Anteilseigner (Shareholder) und weitere Adressaten (Stakeholder) verstanden werden, die an die Gestaltung und Handhabung der Corporate Governance (Leitung und Überwachung) in ihrem Unternehmen oder Konzern im Rahmen (unter-)gesetzlicher Vorschriften gerichtet ist. Während das Corporate Governance Reporting im Kern bereits auf die Implementierung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) im Jahre 2002 und die damit einhergehende Abfassung einer Entsprechenserklärung nach § 161 AktG zurückreicht, hat der deutsche Gesetzgeber auf Basis europäischer Vorgaben (Abänderungsrichtlinie 2006/46/EG) diese ab dem Geschäftsjahr 2009 zu einem Corporate Governance Statement (Erklärung zur Unternehmensführung) ausgeweitet und im damaligen § 289a HGB a. F. weitere Angabe zu den relevanten, über das Gesetz hinausgehenden Unternehmensführungspraktiken und zur Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat um die Entsprechenserklärung herum gefordert. Dann rückte spätestens seit dem sog. "Frauenquotengesetz" aus dem Jahre 2015 und dem sog. "CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz" aus dem Jahre 2016 eine neue Teilmenge des Corporate Governance Reportings in den Blickpunkt: die Berichterstattung über die Vielfalt bei der Besetzung der Unternehmensverwaltungsorgane (Diversity Reporting). Neben der Gender Diversity, die in der aktuellen Diskussion an prominenter Stelle steht, lassen sich weitere wichtige Diversitätskriterien wie Alter, Internationalität, berufliche Erfahrungen und Ausbildung heranführen, die Gegenstand des Diversity Reportings sind. Infolge der stärkeren Berücksichtigung von Diversity bei der Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern kommt der Implementierung eines Diversity-Managementkonzepts im Rahmen einer nachhaltig ausgerichteten Unternehmenssteuerung eine zentrale Bedeutung zu. Die Konzeption des Diversity Managements richtet sich gegen die weit verbreitete "monolithische Organisation", die eine Management-Ausrichtung an der jeweils dominanten Personalgruppe beinhaltet. Die monolithische Organisation impliziert das Denken in Stereotypen, eine zwanghafte Konformität sowie die Beeinträchtigung innovativer Strategien. Insofern folgt das Diversity Management aus Sicht der Unternehmensverwaltung der Maxime, dass die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats heterogen sind und diese Diversität ökonomische Vorteile mit sich bringt. Damit soll sich die Besetzungspolitik gerade nicht an der dominanten Personengruppe ausrichten, sondern die Potenziale einer personellen Vielfalt sinnvoll nutzen.
Rz. 2
Mit dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) wurde als Umsetzung der Vorgabe der Bilanzrichtlinie eine Erklärung zur Unternehmensführung auch für den Konzern gefordert. Mit dem CSR-RL-Umsetzungsgesetz wurde die Erklärung zur Unternehmensführung in § 289f HGB bzw. für den Konzern in einen neuen § 315d HGB verschoben. Danach sind die in § 289a HGB a. F., ab dem Geschäftsjahr 2017 § 289f HGB, umgesetzten speziellen Vorgaben für börsennotierte oder den organisierten Markt mit anderen ausgegebenen Wertpapieren nutzende Aktiengesellschaften auf konsolidierter Ebene auch im Konzernlagebericht notwendig. Mit dem AR...