Die formelle Prüfung der Frauenquote als Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung
Die Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts
Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften müssen – ebenso wie Personengesellschaften ohne eine natürliche Person mit persönlicher Haftung – für jedes Geschäftsjahr ihren Jahresabschluss und einen Lagebericht erstellen. Ziel des Lageberichts ist es, einen Gesamtüberblick über die aktuelle und künftige Situation des Unternehmens mit Chancen und Risiken zu geben. Welche Angaben im Lagebericht zu machen sind, ergibt sich insbesondere aus §§ 289 ff. HGB und hängt im Wesentlichen von der Größe des Unternehmens ab. Teil des Lageberichts ist die Erklärung zur Unternehmensführung gem. § 289f HGB, die Informationen zu verschiedenen Aspekten der Corporate Governance vermitteln soll, darunter zur Frauenquote.
Betroffene Rechtsträger und Prüfungszeitraum
Eine Erklärung zur Unternehmensführung mit Angaben zur Frauenquote müssen neben börsennotierten Aktiengesellschaften (AG), Europäischen Gesellschaften (SE) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) auch solche Kapitalgesellschaften verfassen, die der Mitbestimmung unterliegen, § 289f Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 und 4 HGB i.V.m. §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG bzw. §§ 36, 52 GmbHG. Auf die SE sind die genannten Vorschriften nach Art. 61 SE-Verordnung anwendbar. Ebenfalls von der Erklärungspflicht betroffen sind nach § 289f Abs. 1 S. 1 HGB solche Aktiengesellschaften, SEs und KGaAs, die andere Wertpapiere als Aktien in der EU oder im EWR gelistet haben. Keine Verpflichtung zur Erstellung einer Erklärung zur Unternehmensführung besteht hingegen für Gesellschaften, die ihre Aktien nicht auf einem organisierten Markt, sondern im Freiverkehr handeln (§ 289f Abs.1 i.V.m. § 3 Abs. 2 AktG).
Unter die mitbestimmten Kapitalgesellschaften fallen auch deutlich kleinere Gesellschaften. Als mitbestimmt gelten alle Gesellschaften, die dem Drittelbeteiligungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montanmitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz oder dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung unterliegen. Danach hat zum Beispiel eine GmbH mit mehr als 500 Arbeitnehmern, die einen Aufsichtsrat eingerichtet hat, die Pflicht, eine Erklärung zur Unternehmensführung samt den Angaben zur Frauenquote zu erstellen.
Potenziell von einer Erklärungspflicht betroffen sind darüber hinaus mitbestimmte Europäische Gesellschaften (SE), mitbestimmte eingetragene Genossenschaften (eG) sowie mitbestimmte Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VvaG). Demgegenüber sind die §§ 264 bis 289f HGB auf mitbestimmte Tochterunternehmen, die nach § 264 Abs. 3 HGB von der Aufstellung eines Lageberichts befreit sind, nach herrschender Ansicht nicht anwendbar und folglich von diesen keine Erklärung zur Unternehmensführung über die Zielgrößen abzugeben.
Nach dem aktuellen IDW-Entwurf soll der geplante Prüfungsstandard auf Prüfungszeiträume anwendbar sein, die am oder nach dem 15.12.2023 beginnen, mit der Ausnahme von Rumpfgeschäftsjahren, die vor dem 31.12.2024 enden. Eine freiwillige Anwendung zu einem früheren Zeitpunkt soll möglich sein.
Notwendige Angaben zur Frauenquote
Seit dem 1. Oktober 2015 müssen börsennotierte Gesellschaften bzw. Gesellschaften i.S.d. § 289f Abs. 1 S. 1 HGB (darunter AGs, KGaAs und SEs) und der Mitbestimmung unterliegende eGs sowie für ab 1. Januar 2021 beginnende Geschäftsjahre sonstige mitbestimmte Kapitalgesellschaften (darunter nicht börsennotierte AGs, KGaAs und SEs sowie GmbHs) nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB i.V.m. § 76 Abs. 4 AktG im Lagebericht folgende Angaben machen:
- die Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, Vorstand und in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands, wobei bei der Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten dürfen
- die Festlegung der Fristen zur Erreichung der genannten Zielgrößen
- bei Festlegung der Zielgröße Null: die ausführliche Begründung dieses Beschlusses
- nach Ablauf der festgelegten Frist: die Angabe, ob die festgelegten Zielgrößen während des Bezugszeitraums erreicht worden sind, und wenn nicht, Angaben zu den Gründen
Was als Führungsebene zu bezeichnen ist, wird gesetzlich nicht definiert. Allerdings sind nach der Regierungsbegründung zum FüPoG I darunter die im Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands (Geschäftsführung) zu verstehen. Mit Hierarchieebenen sind dabei organisatorische Einheiten gemeint, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind. Zwar ist eine Erläuterung hinsichtlich der Abgrenzung verschiedener Führungsebenen nicht gefordert, indes aber empfehlenswert. Hierdurch wird dem Adressaten des Lageberichts ein besseres Verständnis von den Zielgrößen vermittelt.
Kleine Kapitalgesellschaften dagegen müssen einen Lagebericht grundsätzlich nicht aufstellen, §§ 264 Abs. 1 S. 4, 267 HGB. Eine Kapitalgesellschaft ist klein im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB, wenn sie zwei der drei folgenden Größen nicht überschreitet: (1) EUR 6 Mio. Bilanzsumme, (2) EUR 12 Mio. Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag, (3) im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer. Das gleiche gilt für Genossenschaften, die diese Größen nicht mehr als einmal überschreiten, § 336 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HGB. Kleinstkapitalgesellschaften i.S.d. § 267a Abs. 1 HGB sind hiervon erst recht erfasst und müssen daher ebenfalls keinen Lagebericht aufstellen. Der Gesetzgeber hat in § 289f Abs. 4 S. 3 HGB jedoch geregelt, dass kleine und Kleinstkapitalgesellschaften die Pflicht zur Erstellung einer Erklärung mit den Festlegungen, Begründungen und Angaben zur Frauenquote dennoch trifft. Die Erfüllung dieser Pflicht wird für kleine und Kleinstkapitalgesellschaften aber dadurch erleichtert, dass sie die Erklärung auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlichen sollen, § 289f Abs. 4 S. 3 HGB.
Lediglich formelle Prüfung durch den Abschlussprüfer
Der Abschlussprüfer ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob die in der Erklärung zur Unternehmensführung enthaltenen Angaben zur Frauenquote inhaltlich richtig sind. Er hat gem. § 317 Abs. 2 S. 6 HGB lediglich zu prüfen, ob die notwendigen Angaben zur Frauenquote gemacht wurden oder nicht. Bei fehlenden Angaben hat der Abschlussprüfer zunächst den Vorstand bzw. die Geschäftsführung zu konsultieren und im Zweifel die – wohlgemerkt als wesentlich nach EPS 351 zu würdigenden – fehlenden Angaben für die Erklärung zur Unternehmensführung anzufordern. Sofern er zu der Schlussfolgerung kommt, dass die Angaben zur Frauenquote nicht in allen wesentlichen Belangen in der Erklärung zur Unternehmensführung gemacht worden sind, hat er das Prüfungsurteil zum Lagebericht im Bestätigungsvermerk wegen einer Einwendung einzuschränken. Dasselbe gilt, wenn der Abschlussprüfer nicht in der Lage ist, ausreichend geeignete Prüfungsnachweise zu erlangen, um zu dieser Schlussfolgerung zu kommen.
Zu einer Einschränkung des Prüfungsurteils führt etwa bei Bestehen eines Aufsichtsrates das vollständige Fehlen von Angaben zur Frauenquote, die Abgabe einer sog. Negativerklärung, d.h. der wahrheitsgemäßen Angabe, dass keine Festlegung von Zielgrößen und Zielerreichungsfristen erfolgt ist. Das Gleiche gilt für das Fehlen einer wesentlichen oder mehrerer wesentlicher Angabe(n) zur Frauenquote, wenn bei der Festlegung der Zielgröße Null die gesetzlich vorgeschriebenen Begründungen unterlassen werden oder wahrheitsgemäß berichtet wird, dass keine Begründungen festgelegt wurden. In der Praxis stellt sich häufig die schwierige Frage, ob eine GmbH, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt und daher einen Aufsichtsrat einrichten müsste, dies aber nicht getan hat, ebenfalls von der Verpflichtung zur Erstellung einer Erklärung mit den Festlegungen, Begründungen und Angaben zur Frauenquote betroffen ist. In der Rechtswissenschaft ist die Frage, ob der Ist-Zustand (kein Aufsichtsrat) oder der Soll-Zustand (Aufsichtsrat) entscheidend ist, heftig umstritten. Der Wortlaut des § 76 Abs. 4 S. 1 AktG sowie der Gesetzeszweck sprechen jedoch für eine Anwendung, auch wenn kein Aufsichtsrat eingerichtet ist.
Der IDW folgt im Ergebnis dieser Auffassung. Daraus folgt konkret Folgendes:
Angaben zur Frauenquote bezüglich der Geschäftsführung oder der beiden darunterliegenden Hierarchieebenen sind zwingend. Fehlen solche Angaben, wird das Prüfungsurteil eingeschränkt. Das Gleiche gilt für den Fall, dass eine Negativerklärung abgegeben wird.
Angaben zur Frauenquote bzgl. des Aufsichtsrats müssen hingegen nur gemacht werden, wenn ein Aufsichtsrat tatsächlich eingerichtet ist. Für ein nicht existierendes Gremium können und müssen keine Zielgrößen festgelegt werden.
Konsequenzen bei Verstoß gegen die Angabepflicht
Wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats bei der Aufstellung des Lageberichts einer Vorschrift des § 289f HGB zuwider handelt, handelt ordnungswidrig, § 334 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB. Ein Zuwiderhandeln ist sowohl bei Nichtabgabe als auch bei nicht vollständiger oder fehlerhafter Erklärung anzunehmen. Eine solche Ordnungswidrigkeit kann empfindliche Geldbußen zur Folge haben, vgl. § 334 Abs. 3 und 3a HGB.
Dessen ungeachtet stellt das Nichterreichen oder das Festlegen geringerer Zielgrößen keine Verletzung der Berichtspflicht dar und ist rechtlich folgenlos. Der damit verbundenen Gefahr, dass zu niedrige oder Nullquoten festgelegt werden, soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers dadurch entgegengewirkt werden, dass hierauf eine negative öffentliche Wirkung zu erwarten ist und ferner ein Mehraufwand durch die Begründungspflicht bei einer Zielgröße von Null entsteht. Dass der Prüfer den Bestätigungsvermerk wegen der Wesentlichkeit der Angaben zur Frauenquote einzuschränken hat, stellt eine zusätzliche Sanktionierung dar. Der Bestätigungsvermerk ist Teil der nach § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB in das Unternehmensregister einzustellenden Unterlagen. Die Öffentlichkeit kann gegen eine geringe Gebühr (derzeit EUR 1 zzgl. MwSt.) und daher ohne Schwierigkeiten hierauf zugreifen.
Ausblick und Einordnung
Entwürfe des Hauptfachausschusses entfalten als solche grundsätzlich keine Bindungswirkung für die Mitglieder des IDW, wie sich aus § 4 Abs. 9 der Satzung des IDW ergibt. Gleichwohl hat der der Hauptfachausschuss eine Anwendungsempfehlung für den neuen Standard ausgesprochen, da dieser die Änderungen durch das FüPoG II widerspiegelt.
Es ist zu begrüßen, dass der IDW eine Klarstellung der umstrittenen Frage anstrebt, ob das Fehlen der Angaben zur Frauenquote zu einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk führen soll. Abzuwarten bleibt, ob der IDW-Hauptfachausschuss auch dafür stimmen wird, aus dem Entwurf einen Prüfungsstandard zu machen. GmbHs mit mehr als 500 Mitarbeitern, die der Arbeitnehmer-Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegen, aber keinen Aufsichtsrat gebildet haben, sind gut beraten, dieses Thema weiter zu beobachten.
Weiterer Autor des Beitrages:
Dennis Grimmer, Steuerberater, ADVANT Beiten, Wirtschaftsprüfer, BBWP GmbH, Düsseldorf
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