Leitsatz
1. Die entgeltliche Überlassung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt.
2. Bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, ist von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen auszugehen. Ergänzend ist auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abzustellen.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG , Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der 6. EG-RL; Nr. 8 Anhang H
Sachverhalt
Gegenstand der Klä?erin, einer GmbH, war die Entwicklung, der Vertrieb, der Service und die Wartung von Versicherungs-Softwaresystemen, vornehmlich für Versicherungs-Konzerngesellschaft (V). Zur Weiterentwicklung und zum Ausbau des bisherigen Softwaresystems der V für alle Gesellschaften und Funktionsbereiche sowie für alle Versicherungszweige des V-Konzerns durch die Klägerin räumte V der Klägerin die Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem bisherigen Softwaresystem ein. Als Entgelt vereinbart waren – begrenzt durch einen Höchstbetrag – Stundensätze.
V erhielt das übertragbare Recht, die erbrachten Erstellungsleistungen auf sämtliche Arten zu nutzen sowie alle einschlägigen Unterlagen, insbesondere den dem System zugrunde liegenden Quellcode. V überließ das Programm auch weiteren, rechtlich selbstständigen Versicherungsgesellschaften des Konzerns zur Nutzung und hatte es erfolglos konzernfremden Versicherungen und Vereinen angeboten.
Das FG sah – anders als das FA – die Voraussetzungen der Steuerermäßigung erfüllt.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte – soweit hier von Bedeutung – keinen Erfolg.
Hinweis
Das Besprechungsurteil betrifft – wie das in diesem Heft besprochene (Seite 222) – die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Entwicklung von individuellen Computerprogrammen die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG in Betracht kommt; auf die dort wiedergegebenen Grundsätze wird verwiesen. Interessant sind die Unterschiede, die sich aus dem unterschiedlichen Sachverhalt – die streitige Leistung war nicht die (Neu-)Erstellung, sondern Ausbau bzw. Erweiterung eines bestehenden Softwareprogramms des Leistungsempfängers. – ergeben:
Sind Ausbauten und Erweiterungen des Software-Systems das Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2, § 69a Abs. 3 UrhG), sind sie als Sprachwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt, soweit sie eigenständige Computerprogramme sind. Sie sind als Bearbeitungen solcher Werke (§ 3 UrhG) urheberrechtlich geschützt, soweit sie Bearbeitungen bestehender Computerprogramme sind.
Sind die Vereinbarungen auf die Herstellung einer urheberrechtlich geschützten Software gerichtet, ergeben die Erstellung des Programms und die Einräumung der Rechte aus dem UrhG eine einheitliche Leistung.
Für die Annahme, dass der Erwerb der Rechte aus dem UrhG im Wesentlichen die Leistung bestimmt, sprechen z.B. folgende Gesichtspunkte: Der Leistungsempfänger hat erkennbar die Verbreitung vorbereitet. Im Hinblick darauf ist als Ziel des Ausbaus bzw. der Erweiterung des Programms dessen Standardisierung mit dem Ziel der Verwendbarkeit möglichst unabhängig von der Struktur der jeweils anwendenden Gesellschaften und der Organisation ihrer Arbeitsabläufe vereinbart. Dafür, dass die Verbreitung bereits bei Abschluss der Verträge über die Weiterentwicklung beabsichtigt war, kann die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung der Programme tatsächlich durchgeführte Verbreitung sprechen sowie der Umstand, dass der Leistungsempfänger sich am freien Markt mit Präsentationen und Workshops um einen Weitervertrieb der Software bemüht.
Beachten Sie: Für das Verbreiten in Form des Anbietens reicht nach der Rechtsprechung zum Urheberrecht bereits ein Angebot aus; es kommt nicht darauf an, ob das Anbieten erfolgreich war oder erfolglos geblieben ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.11.2004, V R 4/04