Sachverhalt
Die Klage der EU-Kommission gegen Österreich betraf die Vereinbarkeit eines ermäßigten Steuersatzes für die Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerbe von Pferden mit Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-Richtlinie bzw. Anhang III Nr. 1 MwStSystRL.
Nach Art. 96 MwStSystRL wenden die Mitgliedstaaten einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. Gemäß Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL sind die ermäßigten Steuersätze nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar. Die Mitgliedstaaten können gemäß Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL zur Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Sinne des Absatzes 1 auf Kategorien von Gegenständen die betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen.
Anhang III zur MwStSystRL enthält ein Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze gemäß Art. 98 MwStSystRL angewandt werden können. Unter Kategorie 1 des Anhangs III fallen "Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse". Unter Kategorie 11 des Anhangs III fallen die "Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind, mit Ausnahme von Investitionsgütern wie Maschinen und Gebäuden".
Die EU-Kommission war der Auffassung, Pferde seien üblicherweise nicht dafür bestimmt, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden und daher sei die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Lieferungen von Pferden unzulässig.
Entscheidung
Der EuGH ist dem Klageantrag der EU-Kommission (Schlussanträge des Generalanwalts sind in der Rechtssache nicht ergangen) gefolgt. Durch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf sämtliche Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftliche Erwerbe von Pferden hat Österreich gegen Unionsrecht verstoßen.
Nach Anhang III Nr. 1 MwStSystRL dürfen die Mitgliedstaaten - so das EuGH-Urteil - einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung etc. von Pferden nur dann anwenden, wenn das Pferd zur Schlachtung geliefert wird. Entscheidend ist damit der Verwendungszweck der Lieferung beim Abnehmer. Nach dem Urteil wollte der Richtliniengeber die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes auf Gegenstände beschränken, die selbst zwar keine Nahrungs- oder Futtermittel sind, jedoch üblicherweise dafür bestimmt sind, für deren Zubereitung verwendet zu werden.
Als obiter dictum gibt der Gerichtshof darüber hinaus zu erkennen, dass auf die Lieferung etc. von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen unabhängig von ihrem konkreten Verwendungszweck beim Leistungsempfänger ein ermäßigter Steuersatz erhoben werden darf. Diese Tiere sollen gewöhnlich und generell dafür bestimmt sein, in die menschliche oder tierische Nahrungskette zu gelangen.
Als weiteres obiter dictum des EuGH ist wohl zu erkennen, dass nach der Entscheidung Lieferungen von Pferden auch nicht auf der Grundlage von Anhang III Nr. 11 generell dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können. Pferde sollen - nach den Ausführungen des EuGH - in den Mitgliedstaaten nicht gewöhnlich und allgemein für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sein. Demzufolge seien insoweit die gleichen Erwägungen wie zu Kategorie Nr. 1 des Anhangs III maßgeblich. Somit kann nach dem EuGH-Urteil ein ermäßigter Steuersatz lediglich für die Lieferung von Pferden für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung gewährt werden. Diese Feststellung des EuGH ist deshalb ein obiter dictum, weil die Kommission in ihrem Klageantrag zwar Anhang III der MwStSystRL insgesamt zitiert, in ihrer Argumentation aber nur auf Kategorie Nr. 1 und nicht auch auf Kategorie Nr. 11 eingegangen ist.
Hinweis
Der EuGH begründet seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem Sinn und Zweck von Anhang III Nr. 1 MwStSystRL. Dieser soll grundlegende Güter, nämlich Nahrungs- und Futtermittel, für den Endverbraucher verbilligen. Deshalb darf nach dem Urteil im Ergebnis die Lieferung etc. lebender Tiere (abgesehen von Tieren, die zum Zweck des Einsatzes in der landwirtschaftlichen Erzeugung geliefert werden) nur dann ermäßigt besteuert werden, wenn diese üblicherweise dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden.
Darüber hinaus führen Sinn und Zweck der Bestimmung nach Auffassung des EuGH auch dazu, dass lebende Tiere, die zwar üblicherweise nicht dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und...