Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Der Buchwert der Milchreferenzmenge ist aus dem zum 1.7.1970 festgestellten Wert des Grund und Bodens abzuleiten. Der Pauschalwert ist dazu im Verhältnis der am Tag der Ausfertigung der MGV (25.5.1984) für die Milchreferenzmenge einerseits und den nackten Grund und Boden andererseits erzielbaren örtlichen Marktpreise aufzuteilen.
Normenkette
§ 55 Abs. 1 und Abs. 6 EStG
Sachverhalt
Der Kläger verpachtete seinen bislang selbst bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb zum 1.4.1988. Dabei ging auch die Milchreferenzmenge auf den Pächter über. Auf den 31.3.1988 erklärte der Kläger gegenüber dem FA die Aufgabe seines Betriebs. Das FA erhöhte den Aufgabegewinn um den Wert der Milchreferenzmenge von 321487 DM.
Mit seiner Klage hatte der Kläger in erster Instanz Erfolg. Das FG errechnete, dass der Summe der gemeinen Werte von Grund und Boden und Milchreferenzmenge (1 458 487 DM) der Pauschalwert der Flächen nach § 55 Abs. 1 EStG (1 940 028 DM) gegenüberzustellen sei. Daraus ergebe sich ein Verlust, der nach § 55 Abs. 6 EStG nicht berücksichtigt werden könne.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren zurück. Das FG habe zwar zu Recht dem Erlös für die veräußerte Milchreferenzmenge einen Buchwert gegengerechnet. Es habe aber nicht ermittelt, wie hoch der nicht zu berücksichtigende Verlust nach § 55 Abs. 6 EStG sei.
Der Senat halte daran fest, dass § 55 EStG nicht den Fall einer nachträglichen Wertminderung des Grund und Bodens durch Einführung der Milchreferenzmenge regele. Daran habe sich mit der Ergänzung von § 55 Abs. 1 EStG um einen Satz 2 durch das StEntlG 1999/2000/2002 nichts geändert. Dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 55 Abs. 1 und Abs. 6 EStG entspreche es, den auf die Milchreferenzmenge entfallenden Teil des Veräußerungspreises in die Ermittlung des Gewinns einzubeziehen.
Nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH sei davon auszugehen, dass ein Teil der Anschaffungskosten für den Grund und Boden auf das davon abgespaltene Wirtschaftsgut Milchreferenzmenge übergegangen sei. Die Aufteilung sei in der Weise vorzunehmen, dass der Teil des am 25.5. 1984 (In-Kraft-Treten der MGV) geltenden pauschalen Grundstückswerts abgespalten werde, der wertmäßig der am 1.7.1970 bestehenden Möglichkeit zur Milcherzeugung und -vermarktung entspreche. Feststellungen dazu müsse das FG noch nachholen. Ggf. sei der Wert zu schätzen.
Gehe man davon aus, dass die vom FG zum Betriebsaufgabezeitpunkt festgestellten gemeinen Werte von 321 487 DM für die Milchreferenzmenge und von 1 137 000 DM für den nackten Grund und Boden in ihrem Verhältnis schon bei Entstehung des neuen Wirtschaftsguts zugetroffen hätten, wären vom angesetzten Pauschalwert für die Milchreferenzmenge 22,04 % (427 637 DM) als anteiliger Wert abzuspalten. Auf die Milchreferenzmenge entfiele damit bei der Betriebsaufgabe ein Verlust von über 100 000 DM. Für diesen Verlust gelte das Ausgleichsverbot des § 55 Abs. 6 EStG entsprechend.
Hinweis
Die bilanzielle Behandlung der Milchreferenzmenge ist seit einigen Jahren umstritten (vgl. BFH-Urteile vom 5.3.1998, IV R 8/95, DStRE 1998, 465 und IV R 23/96, DStRE 1998, 466; vom 25.11.1999, IV R 64/98, DStR 2000, 198). Der BFH hat angenommen, dass es sich bei dem von der Referenzmenge repräsentierten Recht zur Anlieferung einer bestimmten Menge an Milch um ein immaterielles Wirtschaftsgut handele. Soweit dieses Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wird, ist es in der Bilanz zu aktivieren. Streit besteht über die Frage, ob eine Bilanzierung auch erfolgen muss, wenn der Landwirt auf eigenen Flächen Milch produziert, die bereits am 1.7.1970 zu seinem Betriebsvermögen gehört haben.
Die durch EG-Recht erst später erfolgte Beschränkung der Milchablieferungsrechte wird vom BFH als Abspaltung eines immateriellen Wirtschaftsguts vom Grund und Boden angesehen. Deshalb entfällt nach Meinung des BFH ein Teil des zum 1.7.1970 bei Einführung der Bodengewinnbesteuerung gebildeten Bilanzwerts auf dieses immaterielle Wirtschaftsgut.
Bedeutung hat die Frage für das Verlustausgleichsverbot nach § 55 Abs. 6 EStG. Nach Meinung der Finanzverwaltung war der Verlust aus dem Vergleich des ungekürzten Bilanzwerts des Grund und Bodens mit dem gemeinen Wert bzw. Veräußerungspreis nicht ausgleichsfähig, während der Wert der Milchreferenzmenge in Ermangelung eines Buchwerts voll als Gewinn erfasst werden sollte.
Die Rechtsansicht des BFH hat zur Folge, dass der Gewinn aus der Milchreferenzmenge geringer wird oder sogar ein Verlust entsteht. Die Finanzverwaltung hielt die Meinung des BFH für falsch und veranlasste eine Änderung des § 55 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002, die nach Ansicht des BFH aber missglückt ist.
Nach derzeitiger Rechtslage ist deshalb davon auszugehen, dass der Teilwert nach § 55 Abs. 1 EStG anteilig auf die Milchreferenzmenge entfällt (vgl. hierzu umfassend Kanzler in HHR § 55 EStG, Anm. 43 und 116). Möglicherweise kommt es im Rahmen der für 2001 geplanten "Reparaturgesetze" zu einer erneuten Änderung des § 55...