Leitsatz
1. § 25 Abs. 3 Satz 2 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) ist nur im Rahmen der "Öffnungsklausel" nach § 25 Abs. 3 Satz 1 BsGaV anwendbar und gilt nicht für die modifizierte Kapitalaufteilungsmethode für inländische Versicherungsbetriebsstätten nach § 25 Abs. 1 und 2 BsGaV (entgegen Rz 320 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.12.2016, BStBl I 2017, 182 [Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VwG BsGa –]). § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV lässt sich damit kein allgemeiner Grundsatz entnehmen, wonach das Mindesteigenkapital, das ein selbständiges Versicherungsunternehmen in der Situation der Versicherungsbetriebsstätte im Inland versicherungsaufsichtsrechtlich ausweisen muss, durch die inländische Versicherungsbetriebsstätte nicht unterschritten werden darf.
2. Werden Abrechnungsforderungen nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften als bedeckungsfähige Vermögenswerte behandelt, können sie nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BsGaV in die Aufteilung für steuerliche Zwecke mit einbezogen werden.
3. Von einer "erheblichen Veränderung" im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 6 BsGaV ist jedenfalls dann auszugehen, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres um 29,75 % von demjenigen zu Beginn des Wirtschaftsjahres abweicht (entgegen Rz 322 VwG BsGa).
Normenkette
§ 1 Abs. 5 und 6 AStG, § 25 Abs. 1 bis 3, Abs. 5, § 12 Abs. 1, 4 und 6 BsGAV
Sachverhalt
Die Klägerin, eine im EU-Ausland ansässige AG mit einer inländischen Zweigniederlassung, betreibt das Rückversicherungsgeschäft sowohl im Lebens- als auch im Nichtlebensbereich. Die für die inländische Versicherungsbetriebsstätte eingereichte KSt-Erklärung für das Jahr 2015 (Streitjahr) wies das Dotationskapital mit ./. … EUR und indirekt zuzuordnende Kapitalerträge von … EUR aus. Die Berechnung erfolgte nach der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode gemäß § 25 Abs. 1 und 2 BsGaV, wobei die Kapitalerträge nach § 27 Abs. 2 BsGaV zugeordnet wurden. Die Klägerin wies gegenüber dem FA ausdrücklich darauf hin, dass ihre Berechnungsweise den dazu von der Finanzverwaltung aufgestellten Grundsätzen (BMF, Schreiben vom 22.12.2016, IV B 5 - S 1341/12/10001-03, BStBl I 2017, 182, dort Rz. 320) widerspreche.
Nachdem die KSt für das Streitjahr zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf … EUR festgesetzt worden war, kam der Prüfer im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung zu der Auffassung, dass im Streitfall die modifizierte Kapitalaufteilungsmethode nicht zur Anwendung kommen dürfe, da sie zu einem negativen Dotationskapital führe. Anzuwenden sei die Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten nach § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV. Dazu errechnete der Prüfer das fiktive aufsichtsrechtliche Mindestkapital nach den Vorschriften der sog. Kapitalausstattungs-Verordnung mit … EUR zum 31.1.2015 und … EUR zum 31.1.2016. In Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem von der Klägerin erklärten und dem vom Prüfer ermittelten Dotationskapital rechnete der Prüfer der Klägerin zudem Vermögenswerte zur Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals indirekt zu (§ 25 Abs. 4 BsGaV). Die zusätzlich zuzurechnenden Erträge aus den Kapitalanlagen ermittelte er, indem er auf die gesamten indirekt zuzurechnenden Kapitalanlagen von … EUR (§ 27 Abs. 2 BsGaV) die Durchschnittsverzinsung im Gesamtunternehmen von 3,563 % ansetzte. Daraus ergaben sich gegenüber den von der Klägerin erklärten Erträgen (… EUR) zusätzliche Erträge i. H. v. … EUR.
Nachdem das FA dieser Berechnung in einem geänderten KSt-Bescheid für das Streitjahr vom 9.1.2020 gefolgt war, erhob die Klägerin Sprungklage vor dem FG, die erfolglos blieb (FG München, Urteil vom 13.12.2021, 7 K 2379/20, Haufe-Index 15072604).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin war erfolgreich und führte zur Klagestattgabe. Die Gründe dafür können den Praxis-Hinweisen entnommen werden
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung betrifft eine recht spezielle Problematik, die aber für Versicherungsgesellschaften von erheblicher Bedeutung sein kann. Der BFH weist in seinem Urteil die in einschlägigen BMF-Schreiben vertretenen Verwaltungsmeinung zu zwei Streitpunkten zurück.
2. Bei der Besteuerung von Betriebsstätten ist das sog. Dotationskapital von erheblicher Bedeutung. Betriebsstätten werden fiktiv als selbstständige Unternehmen behandelt. Deshalb muss ihnen für Zwecke der Einkünfteabgrenzung gegenüber dem Stammhaus eine angemessene Eigenkapitalausstattung zugestanden werden. Das ist leichter gesagt als getan. Jedenfalls haben der Gesetz- und der Verordnungsgeber sowie die Finanzverwaltung in der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) und in den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung detaillierte Aussagen hierzu getroffen. Für Versicherungsunternehmen existieren – ebenso wie für Banken – spezifische Anforderungen. Um diese ging es im Streitfall.
3. Bei Versicherungsunternehmen sieht § 25 BsGaVzwei Methoden zur Bestimmung de...