Leitsatz
1. Tilgt der Steuerpflichtige beim sog. "umgekehrten Zwei-Konten-Modell" mit eingehenden Betriebseinnahmen einen Sollsaldo, der durch Entnahmen entstanden ist oder sich erhöht hat, so liegt im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme vor, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 zu berücksichtigen ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 21.09.2005, X R 46/04, BFH/NV 2006, 184, BFH/PR 2006, 59).
2. Die der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 zugrunde zu legenden Überentnahmen sind in einem Verlustjahr nicht höher als der Betrag anzusetzen, um den die Entnahmen die Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen (Bestätigung der Verwaltungsauffassung in BMF-Schreiben vom 22.05.2000, IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, 588, Tz. 11).
Normenkette
§ 4 Abs. 4, Abs. 4a EStG
Sachverhalt
Ein Gesellschafter einer Besitz-Personengesellschaft hatte im Jahr 2001 von dem betrieblichen Girokonto 260 000 DM entnommen. Das Konto wies bereits vorher einen Sollsaldo auf und wurde in der Folgezeit durch Pachtzahlungen der Betriebsgesellschaft wieder aufgefüllt. Im Jahr der Entnahme (2001) und dem vorangegangenen Jahr (2000) erzielte die Besitzgesellschaft Verluste, während sie im Jahr 1999 noch einen Gewinn erwirtschaftet hatte. Die Entnahmen waren im Jahr 1999 niedriger als der Gewinn.
Nach einer Betriebsprüfung entstand Streit über die Berechnung der Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG. Das FA war der Meinung, die Pachtzahlungen, mit denen das betriebliche Girokonto wieder aufgefüllt worden war, seien als Entnahmen zu behandeln. Die Unterentnahme des Jahrs 1999 verrechnete das FA mit dem Verlust aus 2000. Den Restbetrag des Verlusts 2000 sowie den Verlust 2001 berücksichtigte das FA allerdings nicht für die Ermittlung der Gewinnhinzurechnung.
Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2007, 12 K 133/07, Haufe-Index 1917629, EFG 2008, 604) hielt die Handhabung für richtig und lehnte eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG über eine damals anhängige Verfassungsbeschwerde ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil.
Hinweis
1. Im Zusammenhang mit der Gewinnhinzurechnung aufgrund des 1999 eingeführten § 4 Abs. 4a EStG sind noch einige Fragen ungeklärt. Dies betrifft z.B. die Berücksichtigung von Unterentnahmen aus der Zeit vor 1999 für die Jahre ab 2001, auf die es hier aber nicht ankam. Zu klären war im hiesigen Fall die Behandlung des sog. umgekehrten Zwei-Konten-Modells und die wichtige Frage nach der Bedeutung von Verlusten für die Bemessungsgrundlage der pauschalen Gewinnhinzurechnung.
2. Das sog. umgekehrte Zwei-Konten-Modell will sich zunutze machen, dass die pauschale Zinshinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG nach der Rechtsprechung des BFH nicht für eindeutig privat veranlasste Schuldzinsen gilt; diese sind ohnehin nicht als Betriebsausgabe abziehbar. Folglich sind auch die zugehörigen Entnahmen nicht in die Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a EStG einzubeziehen. Entnimmt man nun von einem betrieblichen Kontokorrentkonto und entsteht dadurch ein Sollsaldo, werden die dadurch verursachten Zinsen zwar nicht als Betriebsausgabe anerkannt. Es wird aber auch der Entnahmebetrag nicht für die Korrektur der sonstigen Schuldzinsen herangezogen.
Die Entnahme führt zu einer Aufspaltung des Kontokorrentkontos in einen privaten und einen betrieblichen Bestandteil. Da nach der Rechtsprechung eingehende Zahlungen zunächst den privaten Teil des Kontos auffüllen, mindert sich durch Einzahlungen erst einmal der nicht abziehbare privat veranlasste Zinsbetrag, während der betrieblich veranlasste Teil zu abziehbaren Schuldzinsen führt. In der Logik dieser Verfahrensweise liegt es aber dann auch, dass betriebliche Zahlungseingänge, die den privaten Sollsaldo mindern, in dieser Höhe als Entnahmen anzusehen sind. So kommt es, dass eine Betriebeinnahme zugleich eine Entnahme sein kann, auch wenn sie auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto verbleibt.
Im Urteilsfall hatte die Besitzgesellschaft eingewandt, eine solche Behandlung führe zu einer doppelten Entnahmeberücksichtigung. Dass dem nicht so ist, stellt der BFH hier ausdrücklich klar.
3. Seit Einführung der Vorschrift gab es Diskussionen darüber, wie bei der Berechnung der Überentnahmen mit Verlusten zu verfahren ist. Würde man einen Verlust ebenso wie einen Gewinn behandeln, könnte es in einem Verlustjahr zu einer rechnerischen Überentnahme kommen, auch wenn überhaupt nichts entnommen worden ist.
Dies kann nicht im Sinn des Gesetzgebers gewesen sein. Die Finanzverwaltung hat deshalb im Wege teleologischer Reduktion Verluste nur beschränkt für die Berechnung herangezogen: Verluste werden zum Ausgleich von Unterentnahmen (= Übereinlagen) in zurückliegenden und folgenden Jahren herangezogen und sie sind mit Gewinnen in Folgejahren zu verrechnen. Diese Handhabung erklärt der BFH mit dem Besprechungsurteil für rechtens.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 03.03.2011 – IV R 53/07