Dr. Günter Lubos, Dr. Philipp Hoog
Damit ein ERP-System tatsächlich auch Effizienzeffekte für die Controllingorganisation im Familienunternehmen entfaltet, ist es wichtig, dass die Anforderungen des Controllings bereits während der Einführung des Systems in die Funktionalität und Ausgestaltung einfließen. Was bedeutet dies konkret? Zunächst kommt es darauf an, dass das Projekt der ERP-Einführung nicht als reine IT-technische Herausforderung gesehen wird oder als eine Aufgabenstellung, die "nur" die Finanzbuchhaltung betrifft. Denn mit der Einführung des Systems, das sich im Regelfall in Familienunternehmen möglichst nah am Standard orientieren sollte, werden Vorentscheidungen hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten und Datenauswertung durch das Controlling getroffen. Dabei muss ein ERP-System in der Lage sein, die Anforderungen des Controllings in verschiedener Hinsicht zu erfüllen (s. Abb. 5).
Abb. 5: Anforderungen des Controllings an ein ERP-System
Die Sicherstellung einer hohen Datenqualität ist dabei eine erste Grundbedingung. Hier steht sogar weniger das System im Vordergrund als dessen Befüllung, denn allein mit der Implementierung des Systems ist nicht automatisch eine Verbesserung der Datenqualität verbunden. Mit der Einführung sollte daher ein "Aufräumen" der Daten verbunden werden, was sich am Beispiel der Liquiditätsplanung besonders gut verdeutlichen lässt. Grundlage einer Liquiditätsplanung sind u. a. Stammdaten hinsichtlich der Zahlungsziele bei Debitoren und Kreditoren. Diese werden typischerweise vom Finanz- und Rechnungswesen im ERP-System hinterlegt, gepflegt und vom Controlling zur Planung verwendet. Oft sind diese Daten nicht durchweg aktuell, daher ist bei der Einführung deren Aktualität sicherzustellen. Andernfalls ist das Controlling gezwungen, mit unsicheren Annahmen zu arbeiten oder die Daten mühsam "von Hand" zu beschaffen.
Jedes Geschäftsmodell hat Spezifika, die sich auch im ERP-System niederschlagen sollten, weshalb es wichtig ist, solche spezifischen Anforderungen abzubilden. Dominiert in einem Unternehmen das Projektgeschäft und ist das ERP nicht auf dessen Anforderungen und Besonderheiten ausgerichtet, so macht dies eine mühsame und zeitintensive Aufbereitung durch das Controlling erforderlich. Projektergebnisse oder eine Avalplanung lassen sich dann nicht im ERP-System abbilden, sondern erfordern wiederum Auswertungen in zusätzlichen Tabellenkalkulationsprogrammen. Ähnliches gilt für Wertschöpfungsmerkmale, Branchenspezifika oder Fertigungsverfahren, die sich mit ihren Besonderheiten in einem ERP-System wiederfinden sollten und damit auch direkte Auswirkungen auf die Controllingorganisation haben.
Anders als das rein wertorientiert ausgerichtete Finanz- und Rechnungswesen ist der Charakter der zu nutzenden Daten im Controlling breiter. So gehen – ob als absolute Größe oder kombinierte KPI – auch Mengendaten in Form von Zeiten, Stückzahlen, Tonnen, Kilogramm oder Mitarbeiterzahlen in Auswertungen und Analysen ein. Ein gemeinsamer und abgestimmter Datenpool vereinfacht die Handhabung durch das Controlling und erhöht die Konsistenz, wodurch sich der Aufwand für die notwendige Abstimmung der verschiedenen Daten reduziert. Das Controlling kann auf eine konsistente Datenbasis zugreifen und muss diese Konsistenz nicht erst herstellen.
Jedes Controlling befasst sich mit unterschiedlichen Controllingobjekten in Form von Kunden, Produkten, Vertriebswegen, Organisationseinheiten oder Funktionsbereichen. Aus den Controllingobjekten ergeben sich die Anforderungen an das System. So bildet das ERP-System die Basis für eine Kundenerfolgsrechnung oder die Abbildung der Organisationsstruktur in Form einer Spartenrechnung. Die Herausforderung besteht vor allem darin, unterschiedliche Ausweissystematiken so zu verknüpfen, dass es keiner umfassenden (manuellen) Überleitungen, z. B. zwischen einem Produkt- und Kundendeckungsbeitrag, bedarf. Dies gelingt am effizientesten dann, wenn derartige Strukturen bereits im ERP-System angelegt werden und nicht im Nachhinein vom Controlling übergeleitet werden.
Um all diese Anforderungen zu erfüllen, ist die frühzeitige Mitwirkung des Controllings bei der Implementierung des ERP-Systems gerade in Familienunternehmen sinnvoll. Je früher das Controlling seine Anforderungen formuliert und einbringt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch berücksichtigt werden. So kann das Controlling bereits bei der ERP-Auswahlentscheidung z. B. darauf hinwirken, dass ein System beschafft wird, das überhaupt erst für Controllinganwendungen im Projektgeschäft geeignet ist. In der Phase des Customizing während der Systemeinführung können Prozesse und Instrumente dann so ausgestaltet werden, dass relevante Informationen "mundgerecht" für die Controllingbedürfnisse generiert werden. In der Anwendungsphase nützt es dem Controlling, an der Weiterentwicklung des ERP mitzuwirken. Nur so lässt sich das System zum Nutzen der Controllingorganisation permanent weiterentwickeln und die identifizierten Effizienzpotenz...