Leitsatz
* Wird der Jahres-Umsatzsteuerbescheid nach dem 31.12.2000 bekannt gegeben, wird dieser gem. § 68 Satz 1 FGO von Gesetzes wegen Gegenstand des Klageverfahrens gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid.
§ 68 FGO ist auch anwendbar, wenn nach Erlass der den Vorauszahlungsbescheid betreffenden Einspruchsentscheidung noch innerhalb der Klagefrist der Jahres-Umsatzsteuerbescheid erlassen wird.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 68 Satz 1 FGO , § 74 FGO
Sachverhalt
Das FA ließ Vorsteuerbeträge im VZ-Bescheid nicht zum Abzug zu: Der Einspruch blieb erfolglos. Innerhalb der Klagefrist erließ das FA den Jahressteuerbescheid. Der Kläger erhob Klage gegen den VZ-Bescheid und Einspruch gegen den Jahressteuerbescheid.
Das FA meinte zu Recht, das Klageverfahren sei mit dem Jahressteuerbescheid weiterzuführen; das FG setzte das Verfahren über den VZ-Bescheid aus.
Entscheidung
Die Beschwerde des FA hatte aus den eingangs erwähnten Gründen Erfolg.
Hinweis
§ 68 FGO in der ab 1.1.2001 geltenden Fasung betrifft alle ab 1.1.2001 bekannt gegebenen Verwaltungsakte mit ändernder oder ersetzender Wirkung und bestimmt: "Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen."
Nach ständiger Rechtsprechung löst die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Kalenderjahr (§ 18 Abs. 3 UStG) die auf Vorauszahlungsbescheiden (VZ-Bescheide) beruhende Umsatzsteuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume (§ 18 Abs. 1 UStG) ab. Das bedeutet: Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich aus dem Jahressteuerbescheid festgestellt. Die Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr ersetzt die Festsetzungen von Vorauszahlungen. Es ist unschädlich, dass die Jahressteuerfestsetzung einen größeren Regelungsumfang einschließt.
Die Jahressteuerfestsetzung wird gem. § 68 Satz 1 FGO von Gesetzes wegen Gegenstand des Klageverfahrens vor dem FG. Anders als nach § 68 FGO a.F. ist nunmehr kein Antrag mehr erforderlich: das war – im Interesse der Beteiligten an einem einfachen Verfahren – der wesentliche und einzige Grund für die Änderung.
Für die Annahme eines Finanzgerichts, nach der Änderung von § 68 FGO ab 1.1.2001 könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Jahresumsatzsteuerfestsetzung die Festsetzung einer Umsatzsteuervorauszahlung ersetze, gibt es weder nach dem Wortlaut des § 68 FGO noch nach der Gesetzesbegründung einen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: Zur Vermeidung der mit dem Antragserfordernis verbundenen Schwierigkeiten sollte der neue Verwaltungsakt nach § 68 Satz 1 FGO i.d.F. ab 1.1.2001 stets Gegenstand des Klageverfahrens werden, selbst dann, wenn der Steuerpflichtige – sicherheitshalber oder aus Unkenntnis – gegen den Jahressteuerbescheid Einspruch eingelegt hat.
Auf einen Punkt müssen Sie aber achten: Bevor Sie sich auf die gesetzliche Ersetzung nach § 68 FGO verlassen: Prüfen Sie stets, ob wirklich keine Zweifel an der Zulässigkeit der Klage gegen den VZ-Bescheid bestehen (z.B. kein Streit über Klagefrist oder fehlende Unterschrift); ist die Klage gegen den VZ-Bescheid unzulässig, nützt § 68 FGO nichts, denn bei unzulässiger Klage darf das FG nicht die Rechtmäßigkeit des VZ-Bescheids und deshalb auch nicht des diesen ersetzenden Jahresbescheids prüfen. Dann hilft nur Einspruch bzw. Klage gegen den Jahresbescheid selbst und eine Erledigungserklärung in Bezug auf das Verfahren gegen den VZ-Bescheid. Bestehen deshalb Zweifel an der Zulässigkeit der Klage, sollten Sie sicherheitshalber Einspruch einlegen und nach § 363 AO die Aussetzung des Einspruchsverfahrens bis zur Entscheidung anhängigen Klageverfahren beantragen.
Beachten Sie: Weil der Jahressteuerbescheid einen größeren Umfang hat, als der VZ-Bescheid, müssen Sie alle im Verfahren gegen den oder die angefochtenen VZ-Bescheide noch nicht berücksichtigten rechtlichen oder tatsächlichen Einwendungen gegen den Jahresbescheid in das Verfahren einführen; wird erst während eines Revisionsverfahrens der angefochtene VZ-Bescheid ersetzt, ist ein entsprechender Hinweis des Steuerpflichtigen, des Klägers, erforderlich, dass andere Streitpunkte (noch) nicht Gegenstand des FG-Verfahrens waren: Die Sache muss dann an das FG zurückverwiesen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 22.10.2003, V B 103/02