Zusammenfassung
Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehört gem. § 37 Abs. 1 AO neben dem Steueranspruch des Fiskus gegen den Steuerschuldner (z. B. Einkommensteuer), dem Steuervergütungsanspruch (z. B. Kindergeld), dem Haftungsanspruch (z. B. nach § 69 AO gegen den Geschäftsführer einer GmbH) und dem Anspruch auf steuerliche Nebenleistungen i. S. d. § 3 Abs. 4 AO) auch der steuerliche Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO. Die Einzelsteuergesetze normieren keine besonderen Erstattungsansprüche, sondern konkretisieren spezialgesetzlich die Fälligkeit und besondere Voraussetzungen des allgemeinen Erstattungsanspruchs. Diese gehen § 37 Abs. 2 AO vor und können ihn beschränken oder ausschließen. Im 1. Teil des folgenden Beitrags geht es um den Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen. Gegenstand des 2. Teils bildet der Rückforderungsanspruch des Fiskus.
Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO umfasst sowohl den Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen als auch den Rückforderungsanspruch des Fiskus. Danach ist derjenige zur Erstattung verpflichtet, an den eine Steuer oder Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt (erstattet) worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückforderung später wegfällt. Der Erstattungsanspruch ist sozusagen die Umkehrung der übrigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Die in § 37 AO enthaltenen Grundsätze sind regelmäßig Anlass für finanzgerichtliche Streitigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit der Ehegattenveranlagung. Der Rechtsprechung des BFH kommt daher eine besondere Bedeutung zu (AEAO zu § 37). Für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gelten die Regelungen entsprechend (§ 2 Abs. 8 EStG; AEAO zu § 37, Nr. 2.3).
Eine wichtige Bedeutung kommt dem Abs. 3 des § 218 AO zu. Er soll dem Finanzamt dazu dienen, Fehler bei der Anwendung des § 37 AO, mit der Folge von Doppelerstattungen, problemlos korrigieren zu können.
1 Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen
1.1 Definition
Wurde eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt, hat nach Satz 1 des § 37 Abs. 2 AO derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger, also das Finanzamt, einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Dies gilt nach Satz 2 auch, wenn der rechtliche Grund später wegfällt. Eine Zahlung ist ohne Rechtsgrund geleistet, wenn sie den materiell-rechtlichen Anspruch übersteigt; das ist die sog. materiell-rechtliche Rechtsgrundtheorie. Mit dieser Zahlung entsteht der Erstattungsanspruch. Im Fall überhöhter, aber auf einem Vorauszahlungsbescheid bzw. einer Steueranmeldung eines Abzugsverpflichteten (z. B. Arbeitgeber für die Lohnsteuer oder Bank für die Kapitalertragsteuer) beruhender "Vorleistungen" entsteht der Erstattungsanspruch gem. § 36 Abs. 1 EStG aber erst mit Ablauf des Kalenderjahres. Der Begriff der Entstehung ist ein wichtiger formeller Anknüpfungspunkt in der AO, z. B. in § 46 Abs. 6 AO – die Pfändung eines Erstattungsanspruchs setzt dessen Entstehung voraus, nicht dessen Fälligkeit – oder in § 170 AO im Zusammenhang mit dem Beginn der Festsetzungsfrist.
Streng zu unterscheiden von der Frage der Entstehung des Erstattungsanspruchs ist die Frage seiner Realisierung. So kann die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, d. h. die Geltendmachung, die verfahrensrechtliche Durchsetzung und das Behaltendürfen von Zahlungen, grundsätzlich nur nach Maßgabe der ergangenen Steuerbescheide erfolgen.
Folglich kann ein Erstattungsanspruch grundsätzlich nur durchgesetzt werden, wenn ein entgegenstehender Verwaltungsakt i. S. d. § 218 Abs. 1 AO aufgehoben oder geändert worden ist. Dies setzt, je nach Ausgangslage, die Abgabe einer Steuererklärung mit anschließendem Steuerbescheid oder einen rechtzeitigen Einspruch bzw. bei formeller Bestandskraft einen Korrekturantrag des Steuerpflichtigen voraus. Letzterer hat den Nachteil, dass die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift erfüllt sein müssen; eine Hürde, die in der Praxis oft nicht zu überwinden ist.
Die wichtigsten Fallkonstellationen für Erstattungsansprüche im Bereich der Einkommensteuer ergeben sich
- infolge der Anrechnung von Einkommensteuervorauszahlungen im Rahmen der Veranlagung,
- infolge der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen (z. B. Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) im Rahmen der Veranlagung,
- im Fall der Durchführung von Korrekturveranlagungen zugunsten des Steuerpflichtigen, wenn die ursprünglich festgesetzte Steuer bereits entrichtet war.
Es gibt auch Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen, für deren Verwirklichung es keines vorangehenden Steuerbescheids oder sonstigen Verwaltungsakts bedarf. Hierbei handelt es sich insbesondere um Ansprüche aufgrund Zahlung auf einen nichtigen (unwirksamen) Bescheid oder einer Über- bzw. Doppelzahlung des Steuerpflichtigen. Bei solchen Zahlungen fehlt es von vornherein am Rechtsgrund. In diesem Fall kann das Finanzamt den daraus resultierenden Erstattungsanspruch ohne dessen vorherige Fest...