Leitsatz
1. Erstattungsberechtigt i.S. von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist derjenige, auf dessen Rechnung und nicht auf dessen Kosten eine Zahlung bewirkt worden ist.
2. Es kommt nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, so wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch im Fall einer vermeintlichen Organschaft.
Normenkette
§ 37 Abs. 2 Satz 1, § 73 AO, § 99 Abs. 2 FGO, § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 18 Abs. 1 UStG, § 38, § 39 InsO
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um einen Abrechnungsbescheid über anzurechnende USt-Vorauszahlungen.
Die Klägerin vermietete in den Streitjahren wesentliche Betriebsgrundlagen an eine GmbH. Dabei gingen die Vertragsparteien davon aus, dass zwischen ihnen ein Organschaftsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen habe. Nachdem über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, vertrat die Klägerin die Auffassung, eine Organschaft habe mangels organisatorischer Eingliederung nicht bestanden. In der Folge änderte das FA die die Streitjahre betreffenden USt-Bescheide. Die auf die früheren USt-Voranmeldungen hin abgeführten Beträge i.H.v. ca. 2,2 Mio. EUR wurden im Abrechnungsteil der Bescheide nicht berücksichtigt. Das FA vertrat die Auffassung, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO zustehe, da nur die GmbH erstattungsberechtigt sei. Bei vermeintlichen Gesamtschuldnern sei derjenige Gesamtschuldner erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung erfolgt sei. Im Regelfall sei davon auszugehen, dass ein Gesamtschuldner in erster Linie nur seine eigene Schuld tilgen wolle. Die Zahlungen seien von der GmbH geleistet worden, sodass das FA davon habe ausgehen müssen, dass die GmbH die vermeintliche eigene Haftungsschuld habe begleichen wollen. Die Klägerin verwies darauf, dass bei Erteilung der Zustimmung zum Lastschrifteinzugsverfahren ihre Steuernummer angegeben worden sei, welche auch seitens des FA bei jedem Bankeinzug aufgeführt worden sei. Zudem habe das FA alle Zahlungen ausschließlich auf dem Steuerkonto der Klägerin als Steuerschuldnerin verbucht. Daher habe die GmbH Steuern für die Klägerin gezahlt, sodass sie erstattungsberechtigt sei.
Das FG entschied durch Zwischenurteil, dass die im Rahmen des Lastschriftverfahrens bei der GmbH eingezogenen Beträge nach dem für das FA erkennbaren Willen der GmbH auf die Steuerschulden der Klägerin geleistet worden seien (Hessisches FG, Zwischenurteil vom 5.12.2017, 1 K 1239/15, Haufe-Index 11550077, EFG 2018, 616). Eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung habe zwar im Zeitpunkt der Zahlung nicht vorgelegen; jedoch habe die GmbH dem FA die Einzugsermächtigung für ihr Konto unter der Steuernummer der Klägerin erteilt und das FA habe aufgrund dieser Ermächtigung im zeitlichen Zusammenhang mit der Fälligkeit der USt-Schulden der Klägerin die rückständigen Beträge vom Konto der GmbH eingezogen. Daher seien zugunsten der Klägerin Erstattungsansprüche entstanden. Die Entscheidung über die Frage, ob diese Erstattungsansprüche durch die vom FA gegenüber der Klägerin erklärte Aufrechnung erloschen seien, bleibe einem Endurteil vorbehalten.
Hiergegen richtete sich die Revision des FA.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen keinen Erfolg.
Hinweis
1. Die Erstattungsberechtigung bei vermeintlicher Organschaft war in der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (BFH, Urteil vom 23.8.2001, VII R 94/99, BFH/NV 2002, 86, und BFH, Urteil vom 26.11.1996, VII R 49/96, BFH/NV 1997, 537).
Erstattungsberechtigt i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist derjenige, auf dessen Rechnung und nicht auf dessen Kosten gezahlt wurde. Es kommt nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. In Fällen, in denen ein Dritter für Rechnung des Steuerschuldners die Steuer zu entrichten hat, ist somit grundsätzlich der Steuerschuldner erstattungsberechtigt. Diese Grundsätze gelten auch für den Fall einer irrtümlich angenommenen umsatzsteuerrechtlichen Organschaft.
2. Im Streitfall sind die Beteiligten im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung davon ausgegangen, dass allein die Klägerin (als vermeintliche Organträgerin) Steuerschuldnerin der USt war, die auf den Umsätzen der GmbH beruhte, und entsprechend dieser vermeintlichen Rechtslage sind die streitigen USt-Zahlungen durch Einziehung auch geleistet worden. Das FG hatte wesentlich darauf abgestellt, dass die Zahlungen unter der Steuernummer der Klägerin geleistet worden waren. Die sich daran anschließende Würdigung des FG, die eingezogenen Beträge seien nach dem für das FA erkennbaren Willen der GmbH "auf die Steuerschulden der Klägerin geleistet" bzw. "zur Tilgung der gegenüber der Kläg...