Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Wurden bei der erstmaligen Steuerfestsetzung keine Erstattungs- oder Nachzahlungszinsen festgesetzt, weil die Frist des § 233a Abs. 2 AO noch nicht abgelaufen war, so sind nach einer Änderung der Steuerfestsetzung Zinsen auf der Grundlage das Unterschieds zwischen dem neuen und dem früheren Soll gem. § 233a Abs. 5 Satz 2 AO zu berechnen.
Normenkette
§ 233a AO
Sachverhalt
Das FA setzte die Einkommensteuer für 1990 und 1991 am 16.7.1991 bzw. 23.4.1992 zunächst antragsgemäß fest. Nach Anrechnung von KapESt und KSt ergab sich jeweils ein Überschuss zugunsten der Klägerin, die eine entsprechende Erstattungszahlung erhielt. Am 28.6.2000 änderte das FA die Einkommensteuerbescheide und setzte die Erstattungsbeträge herab. Ausgehend von dem jeweiligen Differenzbetrag setzte es Nachzahlungszinsen fest.
Das FG wies die Klage ab (EFG 2002, 1424).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil. Bei Änderung der Steuerfestsetzung seien stets Zinsen nach § 233a Abs. 5 AO festzusetzen, auch wenn ein Zinsbescheid nach der Erstfestsetzung nicht ergangen sei. Zu verzinsen sei der Unterschiedsbetrag zwischen der neuen und der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Zu einem Erlass der Zinsen aus Billigkeitsgründen bestehe kein Anlass.
Hinweis
Der BFH hatte sich vor kurzem bereits einmal mit der Frage zu befassen, wie Zinsen bei der Änderung der Steuerfestsetzung zu berechnen sind. Es ging dort um die Frage, ob nur der mit dem Änderungsbescheid noch fällig werdende Betrag (Istverzinsung) oder der gesamte geschuldete Betrag zu verzinsen ist (Sollverzinsung, vgl. – für Erstattungszinsen – BFH, Urteil vom 19.4.2005, VIII R 12/04, BFH-PR 2005, 384). Der BFH hat sich für die Sollverzinsung und dafür entschieden, dass der Zinsfestsetzung der jeweilige Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen oder des FA zugrunde zu legen sei.
Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe die Zinsen bei einer geänderten Steuerfestsetzung zu ermitteln sind, wenn zunächst Zinsen nicht festgesetzt wurden, weil es innerhalb der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 AO zu einer Steuererstattung kam. Dass auch in diesem Fall – und in anderen Fällen, in denen Zinsen bisher nicht festgesetzt wurden – ein Zinsbescheid ergehen muss, dürfte trotz des einschränkenden Wortlauts des Abs. 5 Satz 1 ("ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern") nicht ernstlich zweifelhaft sein (vgl. etwa Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a RZ. 70). Aus dieser Bestimmung ergibt sich dann als Rechtsfolge, dass sich die Zinsen aus der Differenz zwischen dem neuen und dem ursprünglichen Soll ermitteln. Damit gilt auch hier der Grundsatz, dass der Zinsberechnung der jeweilige Liquiditätsvorteil zugrunde zu legen ist, den entweder der Steuerpflichtige oder das FA durch die Verfügung über Geldbeträge hatte, die ihnen im Ergebnis nicht zustanden.
Dagegen wollte die Klägerin im Streitfall eine Zinsberechnung nach § 233a Abs. 3 AO erreichen, also nach der Istverzinsung wie bei einer erstmaligen Steuerfestsetzung. Das wäre nur zutreffend, wenn die Klägerin noch keine Erstattungsbeträge auf der Grundlage des Erstbescheids erhalten hätte (das ist für den Regelfall auszuschließen). Auch für den Fall, dass der Steuerpflichtige auf der Grundlage des Erstbescheids noch keine Steuerzahlungen geleistet hat, muss das aus § 233a Abs. 5 AO abgeleitete Ergebnis nicht korrigiert werden; der Ausfall des FA mit Zinsen auf das Steuersoll des ursprünglichen Bescheids wird durch Säumniszuschläge und ggf. durch Aussetzungszinsen kompensiert.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.5.2005, VIII R 100/02