OFD Koblenz, Verfügung v. 9.2.2005, S 2246 A
Die Beurteilung der Tätigkeit eines EDV-Beraters als freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ist häufig umstritten.
Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 7.12.1989, BStBl 1990 II S. S. 337 ; 7.11.1991, BStBl 1993 II S. S. 324) war für die Beurteilung, ob ein EDV-Berater, gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte erzielte, maßgebend, ob dieser System- oder Anwendersoftware entwickelte. Diese Rechtsprechung ist zu Veranlagungszeiträumen der 70er und 80er Jahre ergangen.
Mit Urteil vom 4.5.2004, BStBl 2004 II S. 989 weicht der BFH für die Zeiträume ab 1990 nunmehr von seiner bisherigen Rechtsprechung ab.
In seinem Urteil führt der BFH aus, dass das typische Berufsbild der Diplom-Informatiker, welches ursprünglich stark theoretisch ausgerichtet war, bereits in dem dem Urteil zu Grunde liegenden Streitjahr 1991 seinen Schwerpunkt von der Systemsoftwareentwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung (angewandte/praktische Informatik) verlagert hat, da die grundlegenden Probleme der Informatik bereits in den 70er und 80er Jahren gelöst worden seien. Dieser Entwicklung trage zunehmend auch die Einrichtung entsprechender Lehrstühle im Bereich Softwaretechnologie, -engineering und -technik Rechnung.
Ein selbständiger Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung nach Breite und Tiefe derjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs vergleichbar ist, übt somit seit Anfang der 90er Jahre – unter Beachtung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (z.B. leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit) – eine dem Ingenieurberuf vergleichbare Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, und zwar auch dann, wenn er vorwiegend Anwendersoftware entwickelt.
Bei Autodidakten muss – wie bisher – verlangt werden, dass die Tätigkeit in den wesentlichen Elementen dem Beruf des Ingenieurs in Theorie (Ausbildung, Kenntnisse, Qualifikation) und Praxis (berufliche Tätigkeit) gleichwertig ist. Sofern der Vergleich anhand praktischer Arbeiten geführt wird, müssen diese einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen. Des Weiteren ist nachzuweisen, dass diese qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 25.4.2002, BStBl 2002 II S. 475).
In seinem Urteil vom 4.5.2004 (a. a. O.) betont der BFH aber auch, dass nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt. Insbesondere ist für die Qualifizierung als freiberufliche Tätigkeit Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software (keine Trivialsoftware) durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Ingenieur auf Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke plant, konstruiert und ihre Fertigung überwacht.
Die selbständige Tätigkeit der EDV-Beratung in Form von Anwenderbetreuung ist weiterhin als gewerbliche Tätigkeit einzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 24.8.1995, BStBl 1995 II S. 888), da die typische Beratungstätigkeit i.d.R. nicht die Entwicklung von Anwender- oder Systemsoftware und damit keine klassische ingenieurmäßige Entwicklungstätigkeit umfasst.
Rechtsbehelfsverfahren, die unter Verweis auf das BFH-Verfahren XI R 9/03 gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhend gestellt worden sind, bitte ich wieder aufzunehmen und unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden.
Die Kurzinformation Nr. 016/2004 vom 20.2.2004 ist hiermit überholt.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1