Leitsatz
* Die Beweiswürdigung des FG, der Betätigungsmittelpunkt eines Diakons und Seelsorgers befinde sich nicht im häuslichen Arbeitszimmer, weil er die für seinen Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten in der Öffentlichkeit (Kirche, Friedhof, Krankenhaus usw.) erbringe, ist auch dann revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten zeitlich überwiegen.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG , § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Diakon, machte Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 3.370 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Bei seinem Arbeitgeber stand ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Das FA berücksichtigte lediglich einen Betrag in Höhe von 2.400 DM.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das FG war der Meinung, das häusliche Arbeitszimmer des Klägers habe nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung dargestellt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Diese habe den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen. Das vom FG gewonnene Ergebnis sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Hinweis
1. Wie nunmehr schon mehrfach entschieden, bildet das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, dann den Betätigungsmittelpunkt i.S.d. Satzes 3 der o.a. Vorschrift, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet werden (sog. qualitativer Mittelpunkt). Dem zeitlichen Moment kommt nach gefestigter feststehender Rechtsprechung nur eine indizielle Bedeutung zu.
Das häusliche Arbeitszimmer kann demnach auch dann den (qualitativen) Mittelpunkt einer Berufstätigkeit bilden, wenn die häuslichen Aktivitäten – zeitlich gesehen – nicht überwiegen (siehe BFH, Urteil vom 13.10.2003, VI R 27/02, , m.w.N.BFH-PR 2004, 131). Umgekehrt: Ein zeitlich überwiegendes Tätigwerden im häuslichen Arbeitszimmer kann – wie sich auch aus Satz 2 (1. Alt.) der Vorschrift ergibt – nicht ohne weiteres dazu führen, dass dort auch der (qualitative) Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit liegt.
2. Im vorliegenden Fall hatte das FG in einer sehr sorgfältig begründeten Entscheidung dahingehend erkannt, dass das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Klägers darstellte, obgleich die häuslichen Tätigkeiten zeitlich überwogen. Die Vorinstanz hatte unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls herausgearbeitet, dass der Kläger als Diakon und Seelsorger durch sein Auftreten in der Kirche, auf Friedhöfen, in Krankenhäusern und Seniorenheimen, auf Pfarrversammlungen, Ausschusssitzungen und ähnlichen Veranstaltungen in berufstypischer Art und Weise seine Gemeinde repräsentiere und dabei seine Aufgaben in unmittelbarem Außenkontakt vor Ort erbracht habe bzw. erbringe.
Stelle man auf das funktionale und charakteristische Tätigkeitsbild eines Pfarrers oder Diakons ab, so seien es gerade diese Tätigkeiten, die seinen Beruf prägten. Nicht zuletzt in den Augen der Gemeindemitglieder liege der eigentliche Schwerpunkt der seelsorgerischen Tätigkeit auf diesen außerhäuslichen Tätigkeitsfeldern. Demgegenüber träten – in wertender Betrachtung – die umfangreichen häuslichen Vor- und Nachbereitungstätigkeiten sowie die Gespräche mit Gemeindemitgliedern (etwa vor Trauungen, Taufen, Beerdigungen), selbst wenn sie zeitlich überwogen, in den Hintergrund. Dem Kläger stehe demnach nur der (eingeschränkte) Werbungskostenabzug des Satzes 2 (1. Alt.) i.V.m. Satz 3 (1. Halbsatz) zu.
3. Der BFH hat immer wieder betont, dass es in erster Linie Sache des FG ist zu prüfen und zu werten, wo sich der qualitative Schwerpunkt der beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen befindet. Konsequenterweise hat der BFH im Streitfall deshalb auch die Bindung an die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung ernst genommen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.07.2003, VI R 20/02