Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzbesteuerung, Lieferung von Immobilien, Lieferung von Baugrundstücken, Begriff Baugrundstück
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 392
Beteiligte
Ministre de l'Économie, des Finances et de la Relance |
Ministre de l'Économie, des Finances et de la Relance |
Les Anges d'Eux SARL, Echo 5 SARL, Cletimmo SAS |
Verfahrensgang
Cour administrative d'appel de Lyon (Frankreich) (Beschluss vom 18.03.2021) |
Tenor
Art. 392 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er die Anwendung der Regelung über die Differenzbesteuerung auf die Lieferung von Baugrundstücken ausschließt, wenn die betreffenden bebaut erworbenen Grundstücke in der Zeit zwischen ihrem Erwerb und ihrem Wiederverkauf durch den Steuerpflichtigen zu Baugrundstücken wurden, aber die Anwendung dieser Regelung auf die Lieferung von Baugrundstücken nicht ausschließt, wenn die Merkmale dieser Grundstücke in der Zeit zwischen ihrem Erwerb und ihrem Wiederverkauf durch den Steuerpflichtigen z. B. durch ihre Aufteilung in Parzellen verändert wurden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour administrative d'appel de Lyon (Verwaltungsberufungsgericht Lyon, Frankreich) mit Entscheidung vom 18. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. März 2021, in dem Verfahren
Ministre de l'Économie, des Finances et de la Relance
gegen
Les Anges d'Eux SARL,
Echo 5 SARL,
Cletimmo SAS
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Passer, des Richters F. Biltgen und der Richterin M. L. Arastey SahÉn (Berichterstatterin),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 392 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministre de l'Économie, des Finances et de la Relance (Minister für Wirtschaft, Finanzen und Aufschwung, Frankreich, im Folgenden: Finanzverwaltung) auf der einen und den Gesellschaften Les Anges d'Eux SARL, Echo 5 SARL und Cletimmo SAS auf der anderen Seite wegen Mehrwertsteuernachforderungen für die Lieferung von ursprünglich als bebaute Grundstücke erworbenen Baugrundstücken.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 4
Art. 12 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere einen der folgenden Umsätze bewirken:
- Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt;
- Lieferung von Baugrundstücken.
(2) Als ‚Gebäude’ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gilt jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk.
Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten der Anwendung des in Absatz 1 Buchstabe a genannten Kriteriums des Erstbezugs auf Umbauten von Gebäuden und den Begriff ‚dazugehöriger Grund und Boden’ festlegen.
Die Mitgliedstaaten können andere Kriterien als das des Erstbezugs bestimmen, wie etwa den Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Gebäudes und dem Zeitpunkt seiner ersten Lieferung, oder den Zeitraum zwischen dem Erstbezug und der späteren Lieferung, sofern diese Zeiträume fünf bzw. zwei Jahre nicht überschreiten.
(3) Als ‚Baugrundstück’ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten.”
Rz. 5
Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”
Rz. 6
In Titel XIII („Ausnahmen”) Kapitel 1 („Bis zur Annahme einer ...