Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb einer im Inland belegenen Immobilie für neuen Hauptwohnsitz, unterschiedliche Steuervergünstigung je nach Belegenheit des früheren Wohnsitzes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Leitsatz (redaktionell)
Klageabweisung zu dem Antrag, dass Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 43 EG und 56 EG sowie den Art. 31 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen habe, dass in der Flämischen Region für die Berechnung einer Steuervergünstigung beim Kauf einer zum neuen Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie der Betrag der Eintragungsabgaben, die beim Kauf eines früheren Hauptwohnsitzes gezahlt wurden, nur berücksichtigt wird, wenn sich dieser in der Flämischen Region befand, nicht aber, wenn er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) befand.
Normenkette
EGVtr Art. 18, 43, 56; EWR-Abkommen Art. 31, 40
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freizügigkeit ‐ Kauf einer zum neuen Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie ‐ Berechnung einer Steuervergünstigung ‐ Eintragungsabgaben ‐ Kohärenz des Steuersystems“
In der Rechtssache C-250/08
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 10. Juni 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch P. van Nuffel, R. Lyal und W. Roels als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich Belgien, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von B. van de Walle de Ghelcke, advocaat,
Beklagter,
unterstützt durch
Republik Ungarn, vertreten durch R. Somssich, K. Borvölgyi und Z. Fehér als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter M. Safjan, M. Ilešič und E. Levits sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2010,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. Juli 2011
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 43 EG und 56 EG sowie den Art. 31 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass in der Flämischen Region für die Berechnung einer Steuervergünstigung beim Kauf einer zum neuen Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie der Betrag der Eintragungsabgaben, die beim Kauf eines früheren Hauptwohnsitzes gezahlt wurden, nur berücksichtigt wird, wenn sich dieser in der Flämischen Region befand, nicht aber, wenn er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) befand.
Nationaler rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 61/3 des Wetboek der registratie-, hypotheek- en griffierechten (Gesetzbuch über Eintragungs-, Hypotheken- und Kanzleiabgaben) in der Fassung des am 1. Februar 2002 durch die Flämische Region erlassenen Dekrets (im Folgenden: Wb.Reg.) führte in der Flämischen Region die Regelung der „Anrechenbarkeit“ von Eintragungsabgaben ein. Dieser Artikel bestimmt:
„Im Fall des einfachen Kaufs einer zu Wohnzwecken genutzten oder bestimmten Immobilie durch eine natürliche Person zum Zweck der Errichtung ihres Hauptwohnsitzes wird ihr gesetzlicher Anteil an den Abgaben, die gemäß Art. 44, 53 Abs. 2 oder 57 auf den Kauf der Wohnung, die ihr zuvor als Hauptwohnsitz gedient hat, oder des Baugrundstücks, auf dem die Wohnung errichtet ist, geschuldet waren, mit ihrem gesetzlichen Anteil an den auf den Neukauf geschuldeten Abgaben verrechnet, sofern der Neukauf auf einen Zeitpunkt innerhalb von zwei Jahren ab dem Datum der Eintragung der Urkunde datiert ist, die maßgebend ist für die Berechnung der anteiligen Abgabe auf entweder den einfachen Wiederverkauf der Wohnung, die ihr zuvor als Hauptwohnsitz gedient hat, oder auf die Teilung des Gemeinschaftseigentums an der Wohnung, bei der die natürliche Person alle ihre Rechte daran aufgibt.
Von der Verrechnung nach Maßgabe dieses Artikels ausgeschlossen sind die Abgaben, die auf den Erwerb einer Immobilie entrichtet wurden, die nicht in der Flämischen Region belegen ist.
Zusätzliche Abgaben, die ‐ gleichgültig aus welchem Grund ‐ auf einen Erwerb erhoben werden, sind ebenfalls von der Verrechnung ausgeschlossen.
Die Verrechnung nach den Bestimmungen dieses Artikels ist auf keinen Fall Grund für eine Erstattung.
Gehen einem Vorgang im Sinne von Abs. 1 ein oder mehr solcher Vorgänge und/oder ein oder mehr Vorgänge ...