Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb einer im Inland belegenen Immobilie im Anschluss an den Verkauf einer anderen Immobilie, unterschiedliche Besteuerung je nach Belegenheit der verkauften Immobilie
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Leitsatz (redaktionell)
Klageabweisung zu dem Antrag, dass Ungarn dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR Abkommen) verstoßen habe, dass es den Erwerb einer in Ungarn belegenen, zum Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie im Anschluss an den Verkauf einer anderen Immobilie dieser Art unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob die verkaufte Immobilie in Ungarn oder in einem anderen Mitgliedstaat belegen war.
Normenkette
EGVtr Art. 18, 39, 43; EWR-Abkommen Art. 28, 31
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freizügigkeit ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Kauf einer zum neuen Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie ‐ Festsetzung der Bemessungsgrundlage der auf den Erwerb von Immobilien erhobenen Steuer ‐ Abzug des Werts der verkauften Wohnung vom Wert der erworbenen Wohnung ‐ Ausschluss dieses Abzugs, wenn die verkaufte Immobilie nicht im Inland belegen ist“
In der Rechtssache C-253/09
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 8. Juli 2009,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Ungarn, vertreten durch R. Somssich und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Safjan, M. Ilešič und E. Levits sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2010,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Dezember 2010
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Ungarn dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie den Erwerb einer in Ungarn belegenen, zum Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie im Anschluss an den Verkauf einer anderen Immobilie dieser Art unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob die verkaufte Immobilie in Ungarn oder in einem anderen Mitgliedstaat belegen war.
Nationaler rechtlicher Rahmen
Rz. 2
In § 63 des Gesetzes Nr. CXVII von 1995 über die Einkommensteuer (im Folgenden: Einkommensteuergesetz) in seiner bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung hieß es:
„… Der Steuersatz für Einkünfte aus dem Verkauf von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten beträgt 25 %.
… Die entrichtete Steuer wird in Höhe der Steuer gemindert (oder erlassen), die auf den Teil der Einkünfte aus dem Verkauf eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts entfällt (Vergünstigung für den Wohnungserwerb), der von einer Privatperson in den zwölf Monaten vor oder den sechzig Monaten nach dem Zeitpunkt des Bezugs dieser Einkünfte für den Erwerb von Grundeigentum zu Wohnzwecken für sich selbst, einen nahen Angehörigen oder einen ehemaligen Ehepartner verwendet wird (Grundlage der Vergünstigung für den Wohnungserwerb).“
Rz. 3
Diese Vergünstigung für den Wohnungserwerb wurde nur gewährt, wenn sich die Investition auf in Ungarn belegenes Wohneigentum bezog.
Rz. 4
§ 1 des Gesetzes Nr. XCIII von 1990 über Abgaben (im Folgenden: Abgabengesetz) in seiner auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung bestimmt:
„Auf Erbschaften, Schenkungen oder entgeltliche Übertragungen von Eigentum wird eine Vermögensverkehrssteuer erhoben …“
Rz. 5
§ 2 Abs. 2 des Abgabengesetzes lautet:
„Die Vorschriften für die Besteuerung von Schenkungen und entgeltlichen Übertragungen von Eigentum finden Anwendung auf inländische Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, soweit nicht Vorschriften internationaler Übereinkommen dem entgegenstehen.“
Rz. 6
§ 21 Abs. 5 des Abgabengesetzes sieht vor:
„… Wenn eine Privatperson, die Wohneigentum erwirbt, ihr anderes Wohneigentum innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Erwerb verkauft, ist Steuerbemessungsgrundlage der Differenzbetrag (brutto) zwischen dem Verkehrswert des erworbenen Eigentums und dem Verkehrswert des verkauften Eigentums. …“
Vorprozessuales Verfahren
Rz. 7
Mit Mahnschreiben vom 23. März 2007 machte die Kommission die Republik Ungarn darauf aufmerksam, dass die nationale Steuerregelung für die Übertragung von Grundeigentum möglicherweise nicht mit den durch die Art. 18 EG, 39 EG, 43 EG und 56 EG sowie die entsprechenden Artikel des EWR-Abkommen...