Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollkodex, Entstehung der Zollschuld, Beschlagnahme von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Waren, Erlöschen der Zollschuld
Leitsatz (amtlich)
1. Die Art. 202 und 233 Unterabs. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Beschlagnahme von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Waren nur dann zum Erlöschen der Zollschuld führt, wenn sie erfolgt, bevor die Waren über die erste innerhalb dieses Gebiets liegende Zollstelle hinaus gelangt sind.
2. Die zweite Frage ist nicht zu beantworten.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 202, 233 Unterabs. 1 Buchst. d
Beteiligte
Verfahrensgang
UFS (Österreich) (Urteil vom 20.09.2007; Abl.EU 2007, Nr. C 297/30) |
Tatbestand
„Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Art. 202 und 233 Unterabs. 1 Buchst. d ‐ Entstehung der Zollschuld ‐ Vorschriftswidriges Verbringen von Waren ‐ Beschlagnahme mit Einziehung ‐ Erlöschen der Zollschuld ‐ Zeitpunkt, zu dem die Beschlagnahme erfolgen muss“
In der Rechtssache C-459/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Graz (Österreich), mit Entscheidung vom 20. September 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Oktober 2007, in dem Verfahren
Veli Elshani
gegen
Hauptzollamt Linz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. Klŭcka und U. Lõhmus (Berichterstatter) sowie der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Schønberg und M. Šimerdová als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Núñez-Müller,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. November 2008
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 202 und 233 Unterabs. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. L 311, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Elshani und dem Hauptzollamt Linz (im Folgenden: Hauptzollamt) über die Entstehung und das Erlöschen einer Zollschuld.
Rechtlicher Rahmen
3
Art. 4 des Zollkodex bestimmt:
„Im Sinne dieses Zollkodex ist oder sind
…
19. Gestellung: die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden;
…“
4
Art. 38 des Zollkodex sieht vor:
„(1) Die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren sind vom Verbringer unverzüglich und gegebenenfalls unter Benutzung des von den Zollbehörden bezeichneten Verkehrsweges nach Maßgabe der von diesen Behörden festgelegten Einzelheiten zu befördern:
a) zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von diesen Behörden bezeichneten oder zugelassenen Ort;
…
(2) Übernimmt eine andere Person nach dem Verbringen der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft die Beförderung dieser Waren, insbesondere infolge einer Umladung, so geht die Verpflichtung nach Absatz 1 auf diese andere Person über.
…“
5
Art. 40 des Zollkodex lautet:
„Waren, die nach Maßgabe des Artikels 38 Absatz 1 Buchstabe a) bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eintreffen, sind von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat oder die gegebenenfalls die Beförderung der Waren nach dem Verbringen übernimmt.“
6
In Art. 202 des Zollkodex heißt es:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
a) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird oder
…
Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.
(3) Zollschuldner sind:
‐ die Perso...