Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung der von gebietsfremden Pensionsfonds bezogenen Dividenden zu einem höheren Steuersatz als die von im Inland ansässigen Pensionsfonds bezogenen Dividenden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass sie die Befreiung von der Körperschaftsteuer den im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässigen Pensionsfonds vorbehalten hat.
2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.
Normenkette
AEUV Art. 63; EWR-Abkommen Art. 40
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Art. 63 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Ausländische und inländische Pensionsfonds ‐ Körperschaftsteuer ‐ Dividenden ‐ Befreiung ‐ Unterschiedliche Behandlung“
In der Rechtssache C-493/09
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 1. Dezember 2009,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes und H. Ferreira als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter J.-J. Kasel, A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2011,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2011
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie die von gebietsfremden Pensionsfonds bezogenen Dividenden zu einem höheren Steuersatz besteuert als die von im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässigen Pensionsfonds bezogenen Dividenden.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Nach Art. 16 Abs. 1 der portugiesischen Regelung über Steuervergünstigungen (Estatuto dos Beneficios Fiscais, im Folgenden: EBF) sind die Einkünfte von Pensionsfonds und diesen gleichgestellten Körperschaften, die nach portugiesischem Recht errichtet und tätig sind, von der Körperschaftsteuer (Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Colectivas, im Folgenden: IRC) befreit.
Rz. 3
Art. 16 Abs. 4 EBF sieht vor, dass bei Nichterfüllung der in Art. 16 Abs. 1 EBF aufgestellten Voraussetzungen die in Abs. 1 vorgesehene Vergünstigung für das betroffene Geschäftsjahr nicht greift, da die Gesellschaften, die Pensionsfonds und diesen gleichgestellte Körperschaften einschließlich der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit verwalten, originär für die Steuerschulden der Fonds oder Vermögen haften, deren Verwaltung ihnen obliegt, und die geschuldete Steuer innerhalb der in Art. 120 Abs. 1 des portugiesischen Körperschaftsteuergesetzbuchs (Código do Imposto sobre Rendimento das Pessoas Colectivas, im Folgenden: CIRC) vorgesehenen Frist abführen müssen.
Rz. 4
Gemäß Art. 4 Abs. 2 CIRC unterliegen juristische Personen und andere Körperschaften, die weder einen Sitz noch eine tatsächliche Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet haben, für die im portugiesischen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte weiterhin dem IRC. Nach Art. 80 Abs. 4 Buchst. c CIRC beläuft sich der IRC auf 20 %, vorbehaltlich der etwaigen Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.
Rz. 5
Gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. c Nr. 3 CIRC gehören Einkünfte aus Kapitalanlagen, deren Schuldner im portugiesischem Hoheitsgebiet ansässig ist, sich dort niedergelassen hat oder dort über eine tatsächliche Geschäftsleitung verfügt oder deren Zahlung einer in Portugal gelegenen festen Niederlassung zuzurechnen wäre, zu den in Portugal steuerpflichtigen Einkommen von Gebietsfremden.
Rz. 6
Der IRC wird nach Art. 88 Abs. 1 Buchst. c, 3 Buchst. b und 5 CIRC als definitive Steuer an der Quelle erhoben.
Rz. 7
Art. 88 Abs. 11 CIRC lautet:
„Gewinne, die von dem IRC unterliegenden Körperschaften an Steuerpflichtige ausgeschüttet werden, die in den Genuss der vollständigen oder teilweisen Steuerbefreiung kommen, in diesem Fall einschließlich der Kapitalerträge, werden selbständig mit einem Satz von 20 % versteuert, wenn die Anteile, die zu den Gewinnen geführt haben, während des dem Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Gewinne vorausgehenden Jahres nicht ununterbrochen in den Händen desselben Steuerpflichtigen geblieben sind und nicht während der zur Vollendung dieses Zeitraums erforderlichen Zeit gehalten worden sind.“
Rz. 8
Art. 88 Abs. 12 CIRC bestimmt:
„Von dem Betrag der gemäß Abs. 11 bestimmten Steuer wird die Steuer abgezogen, die gegebenenfalls an ...