Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuervergütungsverfahren. Vergütung an Drittlandsunternehmer. Keine Berücksichtigung der Meistbegünstigungsklausel nach GATS. Dreizehnte Mehrwertsteuerrichtlinie. Art. 2 Abs. 2. Meistbegünstigungsklausel. Auslegung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf die von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge
Leitsatz (amtlich)
Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige ‐ ist dahin auszulegen, dass der dort verwendete Begriff „Drittländer“ alle Drittländer umfasst und dass diese Bestimmung die Befugnis und die Verantwortung der Mitgliedstaaten unberührt lässt, ihren Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen wie dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen nachzukommen.
Normenkette
EWGRL 560/86 Art. 2 Abs. 2
Beteiligte
Rízení Letového Provozu CR, s. p |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Dreizehnte Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 2 Abs. 2 ‐ GATS ‐ Meistbegünstigungsklausel ‐ Auslegung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf die von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge“
In der Rechtssache C-335/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. August 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 15. September 2005, in dem Verfahren
řRízení Letového Provozu CR, s. p.
gegen
Bundesamt für Finanzen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter), A. Tizzano, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der zyprischen Regierung, vertreten durch E. Simeonidou als Bevollmächtigte,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch J. Pietras als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Februar 2007
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 326, S. 40, im Folgenden: Dreizehnte Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft tschechischen Rechts Rizeni Letového Provozu CR, s. p. (im Folgenden: RLP) und dem in Deutschland für die Erhebung der Mehrwertsteuer zuständigen Bundesamt für Finanzen über die Vergütung von Mehrwertsteuer, die RLP in Deutschland entrichtet hat.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrechtliche Verträge
3
Mit seinem Beschluss 94/800/EG vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986‐1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigte der Rat der Europäischen Union das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation sowie die Übereinkünfte in den Anhängen 1, 2 und 3 dieses Übereinkommens, zu denen das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, im Folgenden: GATS) gehört.
4
Art. II Abs. 1 GATS bestimmt:
„Jedes Mitglied gewährt hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter dieses Übereinkommen fallen, den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt.“
Gemeinschaftsrecht
5
Der zweite Erwägungsgrund der Dreizehnten Richtlinie lautet:
„Eine harmonische Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern sollte dadurch gewährleistet werden, dass man sich an der Richtlinie 79/1072/EWG ausrichtet und dabei den unterschiedlichen Verhältnissen in den Drittländern Rechnung trägt.“
6
Art. 2 der Dreizehnten Richtlinie bestimmt:
„(1) Unbeschadet der Artikel 3 und 4 erstattet jeder Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen, der nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig ist, unter den nachstehend festgelegten Bedingungen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen im Inland erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten beweglichen Gegenstände belastet wurden oder mit der die Einfuhr von Gegenständen ins Inland belastet wurde, soweit diese Gegenstände und Dienstleistun...