Entscheidungsstichwort (Thema)
Warenentzug aus zollamtlicher Überwachung, Versandverfahren, Methode zur Ermittlung des Zollwerts, Zollwertregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 955/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Methode der Zollwertermittlung nicht in Bezug auf Waren anwendbar ist, die nicht zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauft wurden.
2. Art. 31 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 955/1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Zollbehörden verpflichtet sind, in ihrer Entscheidung über die Festsetzung der Höhe der geschuldeten Einfuhrabgaben sowohl die Gründe anzugeben, die sie dazu veranlasst haben, die in den Art. 29 und 30 der Verordnung Nr. 2913/92 in der geänderten Fassung vorgesehenen Methoden der Zollwertermittlung auszuschließen, bevor sie die Feststellung treffen dürfen, dass die in Art. 31 der Verordnung vorgesehene Methode anzuwenden ist, als auch die Daten, auf deren Grundlage der Zollwert der Waren berechnet wurde; dies soll dem Betroffenen ermöglichen, die Richtigkeit der Entscheidung zu beurteilen und in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob es von Nutzen ist, eine Klage gegen die Behörde zu erheben. Es obliegt den Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität in Ausübung ihrer Verfahrensautonomie die Folgen eines Verstoßes der Zollbehörden gegen ihre Begründungspflicht zu regeln und festzulegen, ob und inwieweit es möglich ist, einen solchen Verstoß im Lauf des Gerichtsverfahrens zu heilen.
3. Art. 30 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 955/1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde nicht verpflichtet ist, den Hersteller aufzufordern, ihr die für die Anwendung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Methode der Zollwertermittlung erforderlichen Informationen zu geben, bevor sie die Anwendung dieser Methode ausschließen darf. Jedoch ist die Behörde verpflichtet, sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen und Datenbanken zu konsultieren. Außerdem muss sie den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern gestatten, ihr alle Informationen zu übermitteln, die zur Ermittlung des Zollwerts der Waren gemäß dieser Vorschrift beitragen können.
4. Art. 30 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 955/1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Zollbehörden nicht verpflichtet sind, zu begründen, weshalb die in Art. 30 Abs. 2 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 2913/92 in der geänderten Fassung vorgesehenen Methoden in dem Fall nicht anzuwenden sind, dass sie den Zollwert der Waren anhand des Transaktionswerts gleichartiger Waren gemäß Art. 151 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1762/95 der Kommission vom 19. Juli 1995 geänderten Fassung ermitteln.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 29 Abs. 1, Art. 31, 6 Abs. 3, Art. 30 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Verfahrensgang
Augstakas tiesas Senats (Lettland) (Beschluss vom 21.01.2016; Abl.EU 2016, Nr. C 111/14) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Zollunion ‐ Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ‐ Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Nichtgemeinschaftswaren ‐ Externes gemeinschaftliches Versandverfahren ‐ Einfuhrabgabenpflichtige Waren, die der zollamtlichen Überwachung entzogen werden ‐ Ermittlung des Zollwerts ‐ Art. 29 Abs. 1 ‐ Voraussetzungen für die Anwendung der Transaktionswertmethode ‐ Art. 30 und 31 ‐ Wahl der Methode der Zollwertermittlung ‐ Verpflichtung der Zollbehörden, die Wahl einer bestimmten Methode zu begründen“
In der Rechtssache C-46/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland) mit Entscheidung vom 21. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar 2016, in dem Verfahren
Valsts ieņēmumu dienests
gegen
„LS Customs Services“ SIA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet (Berichterstatter), der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der „LS Customs Services“ SIA, vertreten durch D. Plotovs als Bevollmächtigten,
‐ der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina, A. Bogdanova und I. Kalniņš als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und L. Grønfeldt als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussan...