Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertminderungen bei Beteiligungen, Abzug von Wertminderungen bei Beteiligungen, Bemessungsgrundlage, Sitzverlegung in anderen EU-Mitgliedstaat, Rücknahmen von Wertminderungen auf Aktien oder Gesellschaftsanteile, Wertzuwächse bei Aktien oder Gesellschaftsanteilen nach Sitzverlagerung in anderen EU-Mitgliedstaat

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

VP Capital

VP Capital NV

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Hof van Cassatie (Belgien) (Beschluss vom 25.06.2021; ABl. EU 2021, Nr. C 368/11)

 

Tenor

Art. 49 AEUV steht einer nationalen Steuervorschrift nicht entgegen, nach der Wertzuwächse bei Aktien oder Gesellschaftsanteilen, die von einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nach der Verlegung ihres satzungsmäßigen Sitzes in diesen Mitgliedstaat verbucht wurden, als aufgezeichnete, aber nicht verwirklichte Mehrwerte behandelt werden, ohne dass berücksichtigt wird, ob diese Aktien oder Anteile zu einer Verbuchung von Wertminderungen durch diese Gesellschaft zu einem Zeitpunkt geführt haben, zu dem sie in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich ansässig war.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van Cassatie (Kassationshof, Belgien) mit Entscheidung vom 25. Juni 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2021, in dem Verfahren

VP Capital NV

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.-C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der VP Capital NV, vertreten durch S. Gnedasj, Advocaat, und M. Grégoire, Avocat,
  • der PricewaterhouseCoopers Belastingadviseurs NV, vertreten durch P. Hinnekens, Advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch S. Baeyens, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. M. De Socio, Avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und V. Uher als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der VP Capital NV und der belgischen Steuerverwaltung über die steuerliche Behandlung von Umsätzen aus der Rücknahme von Wertminderungen durch diese Gesellschaft, die vor der Verlegung ihres satzungsmäßigen Sitzes von Luxemburg nach Belgien verbucht wurden.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 des Code des impôts sur les revenus 1992 (Einkommensteuergesetzbuch 1992) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: EStGB 92) heißt es:

„Gewinne sind Einkünfte von Industrie-, Handels- oder Landwirtschaftsunternehmen aus:

2. Wertsteigerungen der Aktiva, die zur Ausübung der Berufstätigkeit genutzt werden, und Wertminderungen der Passiva, die aus dieser Tätigkeit hervorgehen, wenn diese Mehr- oder Minderwerte verwirklicht oder in der Buchhaltung oder dem Jahresabschluss aufgezeichnet wurden”.

Rz. 4

Art. 44 § 1 EStGB 92 bestimmt:

„In Abweichung von den Artikeln 24 Absatz 1 Nr. 2, 27 Absatz 2 Nr. 3 und 28 Absatz 1 Nr. 1 und letzter Absatz und unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 24 Absatz 1 Nr. 3 sind steuerfrei:

1. aufgezeichnete, aber nicht verwirklichte Mehrwerte mit Ausnahme der Mehrwerte auf Bestände und auf die in Ausführung befindlichen Bestellungen,

…”

Rz. 5

Art. 184ter § 2 Abs. 2 EStGB 92 sieht vor:

„Wenn eine ausländische Gesellschaft ihre Hauptniederlassung oder ihren Geschäftsführungs- oder Verwaltungssitz nach Belgien verlegt, werden – was die Bestandteile betrifft, die in den ausländischen Niederlassungen oder den im Ausland gelegenen Bestandteilen genutzt werden, über die diese Gesellschaft verfügt – zu einem späteren Zeitpunkt verwirklichte Mehr- und Minderwerte, die sich auf diese Aktiva beziehen, auf der Grundlage des Realwertes, den sie zum Zeitpunkt des Vorgangs haben, bestimmt.”

Rz. 6

Art. 190 Abs. 2 EStGB 92 lautet wie folgt:

„In Bezug auf den steuerfreien oder vorläufig nicht besteuerten Anteil der in den Artikeln 44 §§ 1 und 3, 44bis, 44ter und 47 erwähnten Mehrwerte ist diese Mehrwertregelung nur anwendbar in dem Maße, wie dieser Anteil auf einem oder mehreren getrennten Passivkonten gebucht ist und dort belassen wird und nicht als Grundlage für die Berechnung der jährlichen Zuführung an die gesetzliche Rücklage oder für die Berechnung von Entlohnungen oder Zuerkennungen dient.”

Rz. 7

Art. 198 Nr. 7 EStGB 92 bestimmt:

„Werbungskosten umfassen nicht:

7. Wertminderungen und Minderwerte auf Aktien oder Anteile, ausschließlich der Minderwerte, die anlässlich der Gesamtverteilung des Gesellschaftsvermögens einer Gesellschaf...

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