Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuersatz. Ermäßigter Steuersatz. Baudienstleistungen. Renovierung von Privatwohnungen

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Anhang IV Nr. 2

 

Beteiligte

HPA – Construções

Autoridade Tributária e Aduaneira

HPA – Construções SA

 

Verfahrensgang

Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) (Beschluss vom 08.06.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 380/3)

 

Tenor

Anhang IV Nr. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

ist dahin auszulegen, dass

er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, wonach die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Dienstleistungen der Reparatur und Renovierung von Privatwohnungen an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die betreffenden Wohnungen zum Zeitpunkt der Ausführung dieser Maßnahmen tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt werden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 8. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni 2022, in dem Verfahren

Autoridade Tributária e Aduaneira

gegen

HPA – Construções SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter M. Safjan und M. Gavalec,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, C. Bento und A. Rodrigues als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland und I. Melo Sampaio als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. September 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Anhang IV Nr. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Autoritade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) (im Folgenden: Steuerverwaltung) und der HPA – Construções SA (im Folgenden: HPA) über den Mehrwertsteuersatz, der auf die von dieser Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen bei der Restaurierung bestimmter Immobilien anwendbar ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Mehrwertsteuerrichtlinie enthält einen Titel VIII („Steuersätze”), zu dessen Kapitel 2 („Struktur und Höhe der Steuersätze”) u. a. die Art. 96 und 98 gehören.

Rz. 4

Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.”

Rz. 5

Art. 98 Abs. 1 und 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.”

Rz. 6

Zu Kapitel 3 („Befristete Bestimmungen für bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen”) von Titel VIII der Mehrwertsteuerrichtlinie gehören u. a. die Art. 106 und 107. Nach dem Zeitraum, um den es im Ausgangsrechtsstreit geht, wurden Titel VIII Kapitel 3 und Anhang IV der Mehrwertsteuerrichtlinie durch die Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom 5. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112 in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze (ABl. 2009, L 116, S. 18) aufgehoben.

Rz. 7

Art. 106 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Auf Vorschlag der [Europäischen] Kommission können die Mitgliedstaaten vom Rat [der Europäischen Union] einstimmig ermächtigt werden, bis zum 31. Dezember 2010 auf die in Anhang IV genannten Dienstleistungen die ermäßigten Steuersätze des Artikels 98 anzuwenden.

Die ermäßigten Steuersätze dürfen nur auf Dienstleistungen angewandt werden, die höchstens zwei der in Anhang IV genannten Kategorien angehören.

In Ausnahmefällen kann ein Mitgliedstaat auch ermächtigt werden, den ermäßigten Steuersatz auf Dienstleistungen anzuwenden, die drei der genannten Kategorien angehören.”

Rz. 8

Art. 107 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die in Artikel 106 genannten Dienstleistungen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  1. [S]ie müssen arbeitsintensiv sein;
  2. sie müssen in weitgehendem Maße direkt an Endverbraucher erbracht werden;

…”

Rz. 9

Anhang IV der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält das Verzeichnis der Dienstleistungen im Sinne ihres Art. 106. Anhang IV Nr. 2 lautet:

„Renovierung und Reparatur von Privatwohnungen, mit Ausnahme von Materialien, die einen bedeutenden Teil des Wertes der Dienstleistung ausmachen.”

Portugiesisches Recht

Rz. 10

Art. 18 Abs. 1 des Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (Mehrwertsteuergesetzbuch) in...

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