Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuersatz, Ermäßigter Steuersatz, Arbeitsintensive Dienstleistungen, Renovierung von Privatwohnungen, Reparatur von Privatwohnungen, Wartung von Personenaufzügen

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Anhang IV Nr. 2

 

Beteiligte

DSR – Montagem e Manutenção de Ascensores e Escadas Rolantes

Autoridade Tributária e Aduaneira

DSR – Montagem e Manutenção de Ascensores e Escadas Rolantes SA

 

Verfahrensgang

Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) (Beschluss vom 17.02.2021; ABl. EU 2021, Nr. C 252/12)

 

Tenor

Anhang IV Nr. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff „Renovierung und Reparatur von Privatwohnungen” im Sinne dieser Bestimmung Dienstleistungen der Reparatur und Renovierung von Aufzügen in Wohngebäuden mit Ausnahme der Wartungsdienstleistungen für solche Aufzüge fallen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 17. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 1. April 2021, in dem Verfahren

Autoridade Tributária e Aduaneira

gegen

DSR – Montagem e Manutenção de Ascensores e Escadas Rolantes SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin (Berichterstatter),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der DSR – Montagem e Manutenção de Ascensores e Escadas Rolantes SA, vertreten durch J. Vilaça da Fonseca, Advogado,
  • der portugiesischen Regierung, zunächst vertreten durch P. Barros da Costa, L. Inez Fernandes und R. Campos Laires, dann durch P. Barros da Costa und R. Campos Laires als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso und V. Uher als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Anhang IV Nr. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) (im Folgenden: Steuerverwaltung) und der DSR – Montagem e Manutenção de Ascensores e Escadas Rolantes SA (im Folgenden: DSR) über den Mehrwertsteuersatz, der für die von DSR erbrachten Dienstleistungen der Reparatur und Wartung von Aufzügen gilt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Mehrwertsteuerrichtlinie enthält einen Titel VIII („Steuersätze”) mit einem Kapitel 2 („Struktur und Höhe der Steuersätze”). Zu diesem Kapitel gehören u. a. die Art. 96 und 98 dieser Richtlinie.

Rz. 4

Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.”

Rz. 5

In Art. 98 Abs. 1 und 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

…”

Rz. 6

Zum im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt enthielt Titel VIII der Mehrwertsteuerrichtlinie ein Kapitel 3 („Befristete Bestimmungen für bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen”). Zu diesem Kapitel gehörten u. a. die Art. 106 und 107 dieser Richtlinie.

Rz. 7

Art. 106 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmte:

„Auf Vorschlag der [Europäischen] Kommission können die Mitgliedstaaten vom Rat [der Europäischen Union] einstimmig ermächtigt werden, bis zum 31. Dezember 2010 auf die in Anhang IV genannten Dienstleistungen die ermäßigten Steuersätze des Artikels 98 anzuwenden.

Die ermäßigten Steuersätze dürfen nur auf Dienstleistungen angewandt werden, die höchstens zwei der in Anhang IV genannten Kategorien angehören.

In Ausnahmefällen kann ein Mitgliedstaat auch ermächtigt werden, den ermäßigten Steuersatz auf Dienstleistungen anzuwenden, die drei der genannten Kategorien angehören.”

Rz. 8

Art. 107 dieser Richtlinie sah vor:

„Die in Artikel 106 genannten Dienstleistungen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  1. [S]ie müssen arbeitsintensiv sein;
  2. sie müssen in weit gehendem Maße direkt an Endverbraucher erbracht werden;
  3. sie müssen überwiegend lokalen Charakter aufweisen und dürfen nicht geeignet sein, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen.

Darüber hinaus muss ein enger Zusammenhang zwischen den durch die Ermäßigung des Steuersatzes bedingten Preissenkungen und der absehbaren Zunahme der Nachfrage und der Beschäftigung bestehen. Durch die...

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