Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von Auslandsimmobilien, Besteuerung des Veräußerungsgewinns, Gebot der Gleichbehandlung unabhängig von der Ansässigkeit des Veräußerers
Leitsatz (amtlich)
Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach die Gewinne aus der Veräußerung einer in einem Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall Portugal, gelegenen Immobilie durch einen in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen werden als die Veräußerungsgewinne, die bei einem Geschäft der gleichen Art von einem Gebietsansässigen des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie liegt, erzielt werden.
Normenkette
EGV Art. 56
Beteiligte
Erika Waltraud Ilse Hollmann |
Verfahrensgang
Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) (Urteil vom 28.09.2006; Abl.EU 2006, Nr. C 326/35) |
Tatbestand
„Direkte Besteuerung ‐ Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Steuerbemessungsgrundlage ‐ Diskriminierung ‐ Kohärenz des Steuersystems“
In der Rechtssache C-443/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 28. September 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2006, in dem Verfahren
Erika Waltraud Ilse Hollmann
gegen
Fazenda Pública,
Beteiligter:
Ministério Público,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Frau Hollmann, vertreten durch A. Torres, advogado,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes, Â. S. Neves und J. M. Leitão als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG, 43 EG und 56 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Hollmann und der Fazenda Pública (portugiesische Steuerbehörden) wegen ihres Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2003.
Rechtlicher Rahmen
3
Art. 10 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz), der durch das Decreto-Lei Nr. 442/88 vom 30. November 1988 gebilligt wurde, in der Fassung des Decreto-Lei Nr. 198/2001 vom 3. Juli 2001 (Diário da República I, Serie A, Nr. 152 vom 3. Juli 2001) (im Folgenden: CIRS) sieht vor:
„1. Veräußerungsgewinne sind die erzielten Gewinne, die keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb und kein Erwerbseinkommen, keine Kapitalerträge oder Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen darstellen und sich aus Folgendem ergeben:
a) aus der entgeltlichen Veräußerung dinglicher Rechte an Immobilien und der Verwendung von Gütern des Privatvermögens für die unternehmerische oder Erwerbstätigkeit, die ihr Eigentümer persönlich ausübt;
…
4. Der der Einkommensteuer unterliegende Gewinn besteht in:
a) der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und dem Wert beim Erwerb, beide in den Fällen des Abs. 1 Buchst. a, b und c gegebenenfalls abzüglich des als Kapitalertrag anzusehenden Teils;
…“
4
Gemäß Art. 13 Abs. 1 CIRS unterliegen natürliche Personen, die im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig sind, und solche Personen mit Wohnsitz außerhalb dieses Gebiets, die in Portugal Einkünfte erzielen, der Einkommensteuer.
5
Art. 15 Abs. 1 und 2 CIRS sieht vor, dass Personen, die im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig sind, für ihr gesamtes Einkommen unter Einbeziehung der im Ausland erzielten Einkünfte einkommensteuerpflichtig sind, während Gebietsfremde nur für ihre innerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets erzielten Einkünfte einkommensteuerpflichtig sind.
6
Nach Art. 18 CIRS gelten als innerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets erzielte Einkünfte die Einkünfte im Zusammenhang mit dort gelegenen Immobilien einschließlich der Veräußerungsgewinne, die sich aus deren Übertragung ergeben.
7
Art. 43 Abs. 1 und 2 CIRS in der durch das Gesetz Nr. 109 B vom 27. Dezember 2001 (Diário da República I, Serie B, Nr. 298 vom 27. Dezember 2001) geänderten Fassung sieht vor:
„1. Als Veräußerungsgewinn gilt die gemäß den nachstehenden Artikeln ermittelte Differenz zwischen den in demselben Jahr erzielten Gewinnen und Verlusten.
2. Die im vorstehenden Absatz genannte positive oder negative Differenz der von Gebietsansässigen getätigten Geschäfte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a, c und d wird nur in Höhe von 50 % ihres Wertes berücksichtigt.“
8
Bei Gebietsansässigen ergibt sich das steuerpflichti...