Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarif, Tarifierung, Wirbelsäulenfixationssystem, Unterposition 9021 10 10, Unterposition 9021 10 90, Unterposition 9021 90 90
Leitsatz (amtlich)
Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Einreihung von Wirbelsäulenfixationssystemen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in die Unterposition 9021 90 90 der Kombinierten Nomenklatur ausgeschlossen ist, wenn diese Systeme in eine andere Unterposition von Position 9021 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht werden können. Die etwaige Einreihung dieser Systeme in die Unterposition 9021 10 10 oder die Unterposition 9021 10 90 der Kombinierten Nomenklatur hängt von der sie kennzeichnenden Hauptfunktion ab, die vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der objektiven Merkmale und Eigenschaften solcher Systeme sowie ihrer vorgesehenen und ihrer konkreten Verwendung zu ermitteln ist.
Normenkette
EWGV 2658/87 Anhang I
Beteiligte
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Beschluss vom 19.04.2017; Aktenzeichen 4 K 2101/16) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 ‐ Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif ‐ Tarifierung ‐ Kombinierte Nomenklatur ‐ Unterpositionen 9021 10 10, 9021 10 90 und 9021 90 90 ‐ Wirbelsäulenfixationssystem ‐ Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1214/2014“
In der Rechtssache C-227/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. April 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2017, in dem Verfahren
Medtronic GmbH
gegen
Finanzamt Neuss
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Medtronic GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Meyer-Burow und Steuerberaterin N. Looks,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wasmeier und A. Caeiros als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Auslegung der zolltariflichen Unterpositionen 9021 10 10, 9021 10 90 und 9021 90 90 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 (ABl. 2015, L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Medtronic GmbH und dem Finanzamt Neuss (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt) wegen des auf die Lieferung von Wirbelsäulenfixationssystemen anwendbaren Umsatzsteuersatzes.
Rechtlicher Rahmen
HS-Übereinkommen
Rz. 3
Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde von der Weltzollorganisation (WZO) ausgearbeitet und durch das Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt, das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossen und mit seinem Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde (im Folgenden: HS-Übereinkommen).
Rz. 4
Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a des HS-Übereinkommens verpflichtet sich jede Vertragspartei, ihre Zolltarifnomenklatur und ihre Statistiknomenklaturen mit dem HS in Übereinstimmung zu bringen, alle Positionen und Unterpositionen des HS sowie die dazugehörigen Codenummern zu verwenden, ohne etwas hinzuzufügen oder zu ändern, und die Nummernfolge des HS einzuhalten. Nach dieser Bestimmung verpflichten sich die Vertragsparteien außerdem, die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS sowie alle Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS anzuwenden und die Tragweite seiner Abschnitte, Kapitel, Positionen oder Unterpositionen nicht zu verändern.
Rz. 5
Die WZO genehmigt nach Maßgabe von Art. 8 des HS-Übereinkommens die vom Ausschuss für das HS ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise.
Rz. 6
Abschnitt I („Orthopädische Apparate und Vorrichtungen“) der HS-Erläuterungen zur Position 9021 dieses Systems enthält folgende Passage:
„Orthopädische Apparate und Vorrichtungen … sind Apparate und Vorrichtungen zum:
‐ Verhüten oder Korrigieren körperlicher Fehlbildungen oder
‐ Stützen oder Halten von Körperteilen oder Organ...