Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Steuersatz, Lieferungen von Pferden, Lieferungen von Tieren, die nicht üblicherweise zur Verwendung als Nahrungsmittel bestimmt sind, Österreich
Leitsatz (amtlich)
1. Die Republik Österreich hat durch die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf sämtliche Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerbe von Pferden gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 96 und 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit deren Anhang III verstoßen.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten.
3. Die Französische Republik und das Königreich der Niederlande tragen ihre eigenen Kosten.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 96, 98
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes ‐ Lebende Tiere, die üblicherweise dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden ‐ Lieferung, Einfuhr und Erwerb bestimmter lebender Tiere, insbesondere von Pferden“
In der Rechtssache C-441/09
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 11. November 2009,
Europäische Kommission,vertreten durch D. Triantafyllou und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich,vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
unterstützt durch
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
Königreich der Niederlande,vertreten durch C. M. Wissels und M. Noort als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters T. von Danwitz,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich durch die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von bestimmten lebenden Tieren, insbesondere Pferden, die üblicherweise nicht dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 96 und 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) in Verbindung mit deren Anhang III (im Folgenden: Anhang III) verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Art. 96 der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.“
Rz. 3
Art. 97 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„(1) Vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2010 muss der Normalsatz mindestens 15 % betragen.
(2) Der Rat entscheidet gemäß Artikel 93 des [EG-]Vertrags über die Höhe des nach dem 31. Dezember 2010 geltenden Normalsatzes.“
Rz. 4
In Art. 98 dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.
(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.
…
(3) Zur Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Sinne des Absatzes 1 auf Kategorien von Gegenständen können die Mitgliedstaaten die betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen.“
Rz. 5
Anhang III („Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt-Sätze gemäß Artikel 98 angewandt werden können“) Nr. 1 lautet:
„Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse“.
Rz. 6
Anhang III Nr. 11 lautet:
„Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind, mit Ausnahme von Investitionsgütern wie Maschinen oder Gebäuden“.
Nationales Recht
Rz. 7
§ 10 des 1994 erlassenen Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994) (BGBl. Nr. 663/1994) in der durch das 2. Abgabenänderungsgesetz 2008 (BGBl. Nr. 140/2008) geänderten Fassung (im Folgenden: UStG 1994) sieht vor:
„(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 20 % der Bemessungsgrundlage (§§ 4 und 5).
(2) Die Steuer ...