Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage im Fall eines Preisnachlasses nach Bewirkung des Umsatzes. Beiträge, die ein pharmazeutisches Unternehmen an den staatlichen Krankenversicherungsträger leistet. Nationale Steuerregelung, nach der Beiträge, die ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung an den öffentlichen Krankenversicherungsträger zahlt, von der Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage ausgeschlossen sind
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 90 Abs. 1
Beteiligte
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága |
Verfahrensgang
Fővárosi Törvényszék (Ungarn) (Beschluss vom 30.03.2023; ABl. EU 2023, Nr. C 235/20) |
Tenor
Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein pharmazeutisches Unternehmen, das Zahlungen zugunsten des staatlichen Krankenversicherungsträgers aus den Einnahmen zu leisten hat, die es mit öffentlich bezuschussten Arzneimitteln erzielt, deshalb nicht zur nachträglichen Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, weil die Zahlungen kraft Gesetzes erfolgen, von der Bemessungsgrundlage für die Zahlungspflicht sowohl die im Rahmen eines Zuschussvolumenvertrags geleisteten Zahlungen als auch die von dem Unternehmen getätigten Investitionen in Forschung und Entwicklung für den Gesundheitssektor abgezogen werden können und der zu zahlende Betrag von der Steuerbehörde eingezogen wird, die ihn unverzüglich an den staatlichen Krankenversicherungsträger weiterleitet.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn) mit Entscheidung vom 30. März 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2023, in dem Verfahren
Novo Nordisk A/S
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb (Berichterstatter) und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2024,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Novo Nordisk A/S, vertreten durch T. Bodrogi-Szabó, Z. Hegymegi-Barakonyi und G. Riszter, Ügyvédek,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Bottka und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. Juni 2024
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Novo Nordisk A/S und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) (im Folgenden: Rechtsbehelfsdirektion) wegen der Weigerung der Rechtsbehelfsdirektion, Novo Nordisk das Recht einzuräumen, von der Bemessungsgrundlage für die geschuldete Mehrwertsteuer die Beiträge abzuziehen, die diese aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung an den Nemzeti Egészségbiztosítási Alapkezelő (Staatlicher Krankenversicherungsträger, Ungarn) (im Folgenden: NEAK) gezahlt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”
Rz. 4
Art. 78 der Richtlinie lautet:
„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:
- Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;
- Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordert.
Die Mitgliedstaaten können als Nebenkosten im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b Kosten ansehen, die Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sind.”
Rz. 5
Titel VII Kapitel 5 („Verschiedene Bestimmungen”) der Richtlinie enthält Art. 90, der vorsieht:
„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirku...