Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshilfe, Beitreibung von Forderungen, Rückgewähr von Forderungen zur Insolvenzmasse, Vollstreckung in Steuerforderungen

 

Normenkette

EURL 24/2010 Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2

 

Beteiligte

Metirato

Metirato Oy

Suomen valtio/Verohallinto

Eesti Vabariik/Maksu- ja Tolliamet

 

Tenor

Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen sind dahin auszulegen, dass sie zum einen auf ein Verfahren anzuwenden sind, mit dem Forderungen, die auf Ersuchen des ersuchenden Mitgliedstaats beigetrieben wurden, zur Insolvenzmasse einer im ersuchten Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft zurückgewährt werden sollen, wenn dieses Verfahren auf der Anfechtung von Vollstreckungsmaßnahmen im Sinne dieses Art. 14 Abs. 2 beruht, und dass zum anderen der ersuchte Mitgliedstaat im Sinne dieser Bestimmungen als Beklagter dieses Verfahrens anzusehen ist, ohne dass der Umstand, dass der Betrag dieser Forderungen vom Vermögen dieses Mitgliedstaats getrennt ist oder mit diesem vermischt ist, in diesem Zusammenhang relevant ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Helsingin käräjäoikeus (erstinstanzliches Gericht Helsinki, Finnland) mit Entscheidung vom 5. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Dezember 2017, in dem Verfahren

Metirato Oy, in Liquidation,

gegen

Suomen valtio/Verohallinto,

Eesti Vabariik/Maksu- ja Tolliamet

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und I. Koskinen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. November 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. 2010, L 84, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Metirato Oy auf der einen Seite und dem Suomen valtio/Verohallinto (finnischer Staat/Steuerverwaltung) und dem Eesti Vabariik/Maksu- ja Tolliamet (estnischer Staat/Steuerverwaltung) wegen der Klage des Insolvenzverwalters dieser Gesellschaft auf Rückgewähr von Forderungen zur Insolvenzmasse, die von den finnischen Behörden auf Ersuchen der estnischen Behörden beigetrieben wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 1 bis 4 der Richtlinie 2010/24 lauten:

„(1) Die Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten bei der Beitreibung ihrer jeweiligen Forderungen sowie der Forderungen der Union in Bezug auf bestimmte Steuern und sonstige Maßnahmen trägt zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts bei. Sie gewährleistet steuerliche Neutralität und hat es den Mitgliedstaaten ermöglicht, auf diskriminierende Schutzmaßnahmen bei grenzüberschreitenden Umsätzen zu verzichten, die zur Verhütung von Betrug und haushaltsmäßigen Verlusten ergriffen wurden.

(2) Modalitäten für die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen wurden erstmals mit der Richtlinie 76/308/EWG des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen [(ABl. 1976, L 73, S. 18)] festgelegt. Jene Richtlinie und ihre nachfolgenden Änderungen wurden mit der Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen [(ABl. 2008, L 150, S. 28)] kodifiziert.

(3) Zwar stellten diese Regelungen einen ersten Schritt zur Verbesserung der Beitreibungsverfahren innerhalb der Union dar, weil damit die maßgebenden nationalen Vorschriften einander angenähert wurden, erwiesen sich jedoch für die Anforderungen des Binnenmarkts, so wie sie sich in den letzten 30 Jahren herausgebildet haben, als unzureichend.

(4) Um die finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten und die Neutralität des Binnenmarkts besser zu schützen, ist es notwendig, den Anwendungsbereich der Amtshilfe bei der Beitreibung auf Forderungen in Bezug auf Steuern und Abgaben auszuweiten, die noch nicht unter die Amtshilfe fallen, während e...

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