Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersuchen um Sicherungsmaßnahme, Beweiswürdigung, Antrag auf Beschlagnahme in anderem Mitgliedstaat

 

Normenkette

EURL 24/2010 Art. 16

 

Beteiligte

Heavyinstall

Maksu- ja Tolliamet

Heavyinstall OÜ

 

Verfahrensgang

Riigikohus (Estland) (Beschluss vom 29.05.2019; ABl. EU 2019, Nr. C 263/32)

 

Tenor

Art. 16 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des ersuchten Mitgliedstaats, die über ein Ersuchen um Sicherungsmaßnahmen zu entscheiden haben, an die von den Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats vorgenommene Beurteilung der Frage gebunden sind, ob die für die Anwendung dieser Maßnahmen aufgestellten Voraussetzungen tatsächlich und rechtlich erfüllt sind, insbesondere wenn diese Beurteilung in dem in Abs. 1 Unterabs. 2 dieses Art. 16 vorgesehenen, diesem Ersuchen beigefügten Dokument enthalten ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Riigikohus (Staatsgerichtshof, Estland) mit Entscheidung vom 29. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2019, in dem Verfahren

Maksu- ja Tolliamet

gegen

Heavyinstall OÜ

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Heavyinstall OÜ, Prozessbevollmächtigte: S. Koivuaho,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, H. Shev, J. Lundberg und A. Falk als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und E. Randvere als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. 2010, L 84, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Maksu- ja Tolliamet (Steuer- und Zollamt, Estland) (im Folgenden: MTA) und der Heavyinstall OÜ wegen des Erlasses von Sicherungsmaßnahmen in Estland, die von der finnischen Steuerbehörde gegen diese Gesellschaft beantragt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 1, 4 und 6 der Richtlinie 2010/24 heißt es:

„(1) Die Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten bei der Beitreibung ihrer jeweiligen Forderungen sowie der Forderungen der Union in Bezug auf bestimmte Steuern und sonstige Maßnahmen trägt zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts bei. Sie gewährleistet steuerliche Neutralität und hat es den Mitgliedstaaten ermöglicht, auf diskriminierende Schutzmaßnahmen bei grenzüberschreitenden Umsätzen zu verzichten, die zur Verhütung von Betrug und haushaltsmäßigen Verlusten ergriffen wurden.

(4) Um die finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten und die Neutralität des Binnenmarkts besser zu schützen, ist es notwendig, den Anwendungsbereich der Amtshilfe bei der Beitreibung auf Forderungen in Bezug auf Steuern und Abgaben auszuweiten, die noch nicht unter die Amtshilfe fallen, während es gleichzeitig erforderlich ist, dass die Amtshilfe effizienter und effektiver sowie leichter anwendbar wird, um den Anstieg der Amtshilfeersuchen bewältigen zu können und bessere Ergebnisse zu erzielen. …

(6) Die Befugnis der Mitgliedstaaten, die innerstaatlichen Beitreibungsmaßnahmen festzulegen, sollte von dieser Richtlinie nicht berührt werden. Es muss aber sichergestellt sein, dass das reibungslose Funktionieren des mit dieser Richtlinie geschaffenen Systems der Amtshilfe weder durch Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften noch durch mangelnde Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden in Frage gestellt wird.”

Rz. 4

Art. 14 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Streitigkeiten in Bezug auf die Forderung, auf den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat oder auf den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat sowie Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats fallen in die Zuständigkeit der einschlägigen Instanzen des ersuchenden Mitgliedstaats. Werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betro...

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