Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Landwirtschaft. Gemeinsame Marktorganisation. Zuckersektor. Produktionsabgaben. Erstattung zu Unrecht gezahlter Abgaben. Ausschluss- und Verjährungsfristen. Bestandskraft von Festsetzungsbescheiden. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Grundsatz der Rechtssicherheit
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1360/2013
Beteiligte
I (Remboursement de cotisations) |
Tenor
1.Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben,
ist dahin auszulegen, dass
er nicht verlangt, dass die Frist für die Einreichung eines auf diese Verordnung gestützten Antrags auf Erstattung von zu Unrecht als Produktionsabgaben im Zuckersektor gezahlten Beträgen spätestens zum Zeitpunkt der Feststellung dieser Abgaben, nämlich am 30. September 2014, endet. Es obliegt den Mitgliedstaaten, in ihrem nationalen Recht unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität die anwendbare Frist festzulegen, wobei eine Frist von einem Jahr an sich nicht unangemessen erscheint, vorausgesetzt allerdings, dass sie frühestens mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1360/2013 zu laufen beginnt.
2.Die Verordnung Nr. 1360/2013
ist dahin auszulegen, dass
sie nationalen Vorschriften entgegensteht, die es den zuständigen nationalen Behörden erlauben, einen auf diese Verordnung gestützten Antrag auf Erstattung von zu Unrecht als Produktionsabgaben im Zuckersektor gezahlten Beträgen abzulehnen, indem sie sich auf die Bestandskraft der nationalen Entscheidungen berufen, mit denen die Höhe dieser Abgaben vor Erlass dieser Verordnung in Anwendung mehrerer Verordnungen der Europäischen Kommission festgesetzt wurde, die rückwirkend durch diese Verordnung ersetzt wurden.
Tatbestand
In der Rechtssache C-655/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2022, in dem Verfahren
I GmbH & Co. KG
gegen
Hauptzollamt HZA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie des Richters J.-C. Bonichot und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der I GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt D. Ehle,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und B. Hofstötter als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben (ABl. 2013, L 343, S. 2).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der I GmbH & Co. KG und dem Hauptzollamt HZA (Deutschland) (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen Erstattung zu Unrecht gezahlter Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2001/2002.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 1150/2000
Rz. 3
Art. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 2007/436/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. 2000, L 130, S. 1) in der durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 105/2009 des Rates vom 26. Januar 2009 (ABl. 2009, L 36, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1150/2000) sah vor:
„(1) Für diese Verordnung gilt ein Anspruch der Gemeinschaften auf die Eigenmittel im Sinn von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Beschlusses 2007/436/EG, Euratom [des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2007, L 163, S. 17)] als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.
(2) Der Zeitpunkt der Feststel...