Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESFINANZHOF. DEUTSCHLAND. CHAMPIGNONKONSERVEN. SCHUTZMASSNAHMEN. Landwirtschaft. Gemeinsame Marktorganisation. Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse. Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Champignonkonserven. Erhebung eines Zusatzbetrags. Erfasste Waren. Ohne gültige Einfuhrlizenz zum freien Verkehr abgefertigte Waren. Einbeziehung. Pauschale Festsetzung auf der Grundlage der Kosten der in der Gemeinschaft hergestellten Champignonkonserven erster Qualität. Unverhältnismässige finanzielle Belastung der Importeure von Erzeugnissen geringerer Qualität. Verstoß gegen den Grundsatzs der Verhältnismässigkeit. Rechtswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der in Artikel 1 der Verordnung Nr. 3429/80 zum Erlaß der bei der Einfuhr von Champignonkonserven anwendbaren Schutzmaßnahmen vorgesehene Zusatzbetrag ist nicht nur dann zu erheben, wenn eine Einfuhr über die Mengen hinaus vorgenommen wird, für die eine Einfuhrlizenz erteilt wurde, sondern auch dann, wenn nach der Abfertigung dieser Konserven zum freien Verkehr festgestellt wurde, daß die Einfuhrlizenz für die Waren nicht gültig war.
2. Die Kommission hat dadurch, daß sie den Zusatzbetrag für die Einfuhr von Chamignonkonserven in der Verordnung Nr. 3429/80 in einer Höhe festgesetzt hat, die dem Gestehungspreis von Champignonkonserven erster Qualität aus dem wichtigsten Erzeugerland der Gemeinschaft auf dem wichtigsten Markt der Gemeinschaft entsprach, gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen. Die Festsetzung dieses Betrags in dieser Höhe war nämlich nicht erforderlich, um das mit ihm verfolgte Ziel der Vermeidung von Störungen des Gemeinschaftsmarktes zu erreichen, und führt dazu, die Importeure von Champignons geringerer Qualität durch die Auferlegung einer unverhältnismässigen finanziellen Belastung zu bestrafen, obwohl dies nicht das Ziel dieses Betrages ist und obgleich Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 521/77 die Kommission ermächtigte, unter anderem den Ursprung oder die Qualität der Champignons zu berücksichtigen und eventuell im Hinblick auf diese Faktoren unterschiedliche Zusatzbeträge festzusetzen. Deshalb ist Artikel 1 der Verordnung Nr. 3429/80 hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Zusatzbetrags ungültig.
Normenkette
Verordnung Nr. 3429/80 der Kommission Art. 1; Verordnung Nr. 521/77 des Rates Art. 2 Abs. 2
Beteiligte
Hauptzollamt Hamburg-Jonas |
Werner Faust Offene Handelsgesellschaft KG |
Tenor
1) Der in Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3429/80 der Kommission vom 29. Dezember 1980 zum Erlaß der bei der Einfuhr von Champignonkonserven anwendbaren Schutzmaßnahmen vorgesehene Zusatzbetrag ist auch dann zu erheben, wenn Champignonkonserven in der Gemeinschaft zum freien Verkehr abgefertigt worden sind und nach dieser Abfertigung festgestellt wurde, daß für die Waren keine gültige Einfuhrlizenz vorlag.
2) Artikel 1 dieser Verordnung ist hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Zusatzbetrags ungültig.
Gründe
1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 24. Oktober 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Januar 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 3429/80 der Kommission vom 29. Dezember 1980 zum Erlaß der bei der Einfuhr von Champignonkonserven anwendbaren Schutzmaßnahmen (ABl. L 358, S. 66) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas und der Werner Faust Offene Handelsgesellschaft, Hamburg, wegen der Zahlung eines Zusatzbetrags von 4 310 610,10 DM, den das Hauptzollamt verlangt hatte aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), und aufgrund der vorgenannten Verordnung Nr. 3429/80.
3 Der fragliche Zusatzbetrag ist in Artikel 1 der Verordnung Nr. 3429/80 vorgesehen. Dieser lautet:
”Auf Champignonkonserven der Tarifstelle 20.02 A des Gemeinsamen Zolltarifs, andere als die in Artikel 4 genannten, die in der Gemeinschaft über die gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 3 festgelegten Mengen hinausgehend zum freien Warenverkehr abgefertigt werden, wird für den Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis 31. März 1981 ein Zusatzbetrag in Höhe von 175 ECU je 100 kg netto erhoben.”
4 Dem Vorlagebeschluß zufolge beantragte die Firma Werner Faust in der Zeit vom 20. bis 25. März 1981 die Abfertigung von 89 873 Kartons als Wildchampignons in Dosen aus der Volksrepublik China angemeldete Waren zum freien Verkehr und legte später eine Einfuhrlizenz für Wildchampignons vor, von der das Hauptzollamt die eingeführten Mengen abschrieb. Nach der Abfertigung der Waren zum freien Verkehr gelangte das Hauptzollamt aufgrund von Sachverständigengutachten zu der Auffassung, daß die eingeführten Waren Zuchtp...