Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Zollunion. Gemeinsamer Zolltarif. Kombinierte Nomenklatur. Tarifpositionen. Positionen 2304 und 2309. Sojakuchen
Normenkette
EWGV 2658/87 Anhang I
Beteiligte
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága |
Verfahrensgang
Pécsi Törvényszék (Ungarn) (Beschluss vom 29.04.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 326/9) |
Tenor
Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom 6. Oktober 2016
ist dahin auszulegen, dass
ein in Form von Pellets oder Granulat eingeführtes Erzeugnis, das nach der Gewinnung von Sojaöl mittels Lösungsmittel und thermischer Behandlung zur Entfernung dieses Lösungsmittels, damit dieses Erzeugnis nach mechanischer Zerkleinerung in ein Mischfuttermittel untergemischt werden kann, gewonnen wird, in die Position 2304 dieser Nomenklatur einzureihen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Pécsi Törvényszék (Stuhlgericht Pécs, Ungarn) mit Entscheidung vom 29. April 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 2022, in dem Verfahren
Viterra Hungary Kft.
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie des Richters P. G. Xuereb (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Viterra Hungary Kft., vertreten durch B. Balog, D. Kelemen und Z. Várszegi, Ügyvédek,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch Zs. Biró-Tóth, M. Z. Fehér und K. Szójjártó als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Béres und M. Salyková als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Tarifpositionen 2304 und 2309 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom 6. Oktober 2016 (ABl. 2016, L 294, S. 1) (im Folgenden: KN).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Viterra Hungary Kft. und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) über die zolltarifliche Einreihung von als Sojakuchen beschriebenen und von dieser Gesellschaft nach Ungarn eingeführten Waren.
Rechtlicher Rahmen
Das HS
Rz. 3
Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde im Rahmen der Weltzollorganisation (WZO) mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt, das mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde. Die Erläuterungen zum HS werden innerhalb der WZO nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens ausgearbeitet.
Rz. 4
Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 dieses Übereinkommens verpflichtet sich jede Vertragspartei, die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS sowie alle Anmerkungen zu seinen Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen anzuwenden und die Tragweite der Abschnitte, Kapitel, Positionen oder Unterpositionen nicht zu verändern.
Rz. 5
Kapitel 23 „Rückstände und Abfälle der Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter”) HS enthält eine Anmerkung 1 mit folgendem Wortlaut:
„Zu Position 2309 gehören auch Erzeugnisse der zur Fütterung verwendeten Art, anderweit weder genannt noch inbegriffen, die aus der Verarbeitung von pflanzlichen oder tierischen Stoffen stammen und die durch die Verarbeitung die wesentlichen Merkmale der Ausgangsstoffe verloren haben. Dies gilt nicht für pflanzliche Abfälle, pflanzliche Rückstände und Nebenerzeugnisse aus dieser Verarbeitung.”
Rz. 6
In den Erläuterungen zu Kapitel 23 HS heißt es im Abschnitt „Allgemeines”:
„Zu diesem Kapitel gehören verschiedene Rückstände und Abfälle, die bei der Verarbeitung von pflanzlichen Stoffen durch die Lebensmittelindustrie anfallen, sowie bestimmte Rückstände tierischen Ursprungs. Die meisten dieser Erzeugnisse werden hauptsächlich, entweder allein oder vermischt mit anderen Stoffen, als Futter verwendet, aber manche dienen auch der menschlichen Ernährung. Einige (Weintrub, Weinstein, Ölkuchen usw.) dienen jedoch auch technischen...