Entscheidungsstichwort (Thema)
Portugiesische Stempelsteuer auf den Wert von Verträgen über den Bau eines Tankschiffs ist keine Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Nach dem Urteil ist die portugiesische Stempelsteuer, die auf Werkverträge und Verträge über die Lieferung von Material und Verbrauchsartikeln erhoben wird und sich nach dem Vertragswert bemißt, keine Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der 6. EG-Richtlinie. Nach der Entscheidung ist die Stempelsteuer keine allgemeine Steuer, da sie nicht darauf abziele, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in dem beteiligten Mitgliedstaat zu erfassen.
Beteiligte
Solisnor-Estaleiros Navais |
Solisnor-Estaleiros Navais SA |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer)
„Mehrwertsteuer – Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie – Beibehaltung von Eintragungsgebühren – Stempelsteuern auf den Wert von Verträgen über den Bau eines Tankschiffs”
In der Rechtssache C-130/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom portugiesischen Supremo Tribunal Administrativo in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Fazenda Pública
gegen
Solisnor-Estaleiros Navais SA, Beteiligter: Ministério Público,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) sowie des Artikels 378 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Sevón sowie der Richter P. Jann und M. Wathelet (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Fazenda Pública, vertreten durch Maria Aldina Moreira,
der Solisnor-Estaleiros Navais SA, vertreten durch Rechtsanwalt Manuel Rodrigues, Lissabon,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch Luís Fernandes, Direktor des Juristischen Dienstes der Generaldirektion für Gemeinschaftsangelegenheiten des Außenministeriums, und Rui Barreira, Berater im Zentrum für juristische Studien der Präsidentschaft des Ministerrats, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater António Caeiro und Enrico Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Solisnor-Estaleiros Navais SA, vertreten durch Rechtsanwalt Manuel Rodrigues, der portugiesischen Regierung, vertreten durch Luís Fernandes und Ana César Machado, Assistentin an der Juristischen Fakultät Lissabon, als Bevollmächtigte, und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch António Caeiro, in der Sitzung vom 29. Januar 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. März 1997,
folgendes
Urteil
1 Das Supremo Tribunal Administrativo hat mit Urteil vom 28. Februar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) sowie des Artikels 378 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23; im folgenden: Beitrittsakte) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Solisnor-Estaleiros Navais SA (im folgenden: Klägerin) und der Fazenda Pública (Finanzverwaltung; im folgenden: Beklagte) über die Erhebung einer in Artikel 91 der Tabela Geral do Imposto do Selo (allgemeine Tabelle der Stempelsteuer; im folgenden: TGIS) vorgesehenen Abgabe in Form einer Stempelsteuer.
3 Die Klägerin zahlte am 4. Juni 1992 Stempelsteuer in Höhe von 43 586 400 ESC für einen am 28. Dezember 1989 mit der Sociedade Portuguesa de Navios e Tanques SA geschlossenen Werkvertrag über den Bau eines Tankschiffs zur Beförderung von Rohöl.
4 Sie erhob sodann beim Tribunal Tributário de Primeira Instância Setúbal Klage auf Aufhebung dieser Steuer; dieses Gericht gab ihrer Klage mit der Begründung statt, die Steuer verstoße gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie.
5 Diese Vorschrift lautet wie folgt: „Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Char...