Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft, Fiktion der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs, Zusammenfassende Meldung, Bedeutung der Zusammenfassenden Meldung
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 141 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die dort genannte Voraussetzung erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige in dem Mitgliedstaat, von dem aus die Gegenstände versandt oder befördert werden, ansässig und für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, aber für den konkreten innergemeinschaftlichen Erwerb die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaats verwendet.
2. Die Art. 42 und 265 in Verbindung mit Art. 263 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie die Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats daran hindern, Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung mit der alleinigen Begründung anzuwenden, dass im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs, der für die Zwecke einer anschließenden Lieferung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats getätigt wurde, die Abgabe der zusammenfassenden Meldung im Sinne des Art. 265 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung von dem im ersten Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfassten Steuerpflichtigen verspätet vorgenommen wurde.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 141 Buchst. c, Art. 42, 265, 263
Beteiligte
Verfahrensgang
VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 19.10.2016; ABl. EU 2017, Nr. C 78/8) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs ‐ Art. 42 ‐ Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, die Gegenstand einer anschließenden Lieferung sind ‐ Art. 141 ‐ Befreiung ‐ Dreiecksgeschäft ‐ Vereinfachungsmaßnahmen ‐ Art. 265 ‐ Korrektur der zusammenfassenden Meldung“
In der Rechtssache C-580/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 17. November 2016, in dem Verfahren
Firma Hans Bühler KG
gegen
Finanzamt Graz-Stadt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Firma Hans Bühler KG, vertreten durch Rechtsanwalt P. Schulte,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard, F. Koppensteiner und S. Pfeiffer als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. November 2017
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 141 Buchst. c, Art. 42 und Art. 265 in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1, Art. 197 und Art. 263 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma Hans Bühler KG und dem Finanzamt Graz-Stadt (Österreich) über die Zahlung von Umsatzsteuer auf Umsätze, die im Zeitraum von Oktober 2012 bis März 2013 erzielt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 10 und 38 der Mehrwertsteuerrichtlinie lauten:
„(10) Während [der] Übergangszeit sollten in den Bestimmungsmitgliedstaaten die innergemeinschaftlichen Umsätze anderer Steuerpflichtiger als derjenigen, die steuerbefreit sind, zu den Sätzen und Bedingungen dieser Mitgliedstaaten besteuert werden.
…
(38) Für steuerbare Umsätze, einschließlich Reihengeschäften, im Zusammenhang mit dem innergemeinschaftlichen Handelsverkehr, die während der Übergangszeit im inneren Anwendungsbereich der Steuer von Steuerpflichtigen bewirkt werden, die nicht im Gebiet des Mitgliedstaats des innergemeinschaftlichen Erwerbs der Gegenstände ansässig sind, ist es erforderlich, Vereinfachungsmaßnahmen vorzusehen, die eine gleichartige Behandlung in allen Mitgliedstaaten gewährleisten. Hierzu sollten die Vorschriften über die steuerliche Behandlung dieser Umsätze und zur Bestimmung des Steuerschuldners für diese Umsätze harmonisiert werden. Von der Anwendung dieser Regelungen sollten jedoch grundsätzlich Gegenstände ausgenommen werden, die zur Lieferung auf d...