Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Nichtberücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung aus einem im Ausland belegenen Einfamilienhaus
Leitsatz (amtlich)
Artikel 48 EWG-Vertrag (später Artikel 48 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren betroffenen entgegensteht, wonach natürliche Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in einem Mitgliedstaat beziehen und dort unbeschränkt steuerpflichtig sind, keinen Anspruch darauf haben, dass bei der Festsetzung des Steuersatzes für diese Einkünfte in diesem Staat Verluste aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, die sich auf ein von ihnen selbst zu Wohnzwecken genutztes Wohnhaus in einem anderen Mitgliedstaat beziehen, während positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezüglich eines solchen Hauses berücksichtigt würden.
Normenkette
EGVtr Art. 39; EWGV Art. 48; EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2
Beteiligte
Hans-Jürgen Ritter-Coulais |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Steuerrecht ‐ Einkommensteuer ‐ Artikel 48 EWG-Vertrag (später Artikel 48 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) ‐ Nationale Regelung, die die Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung von in einem anderen Mitgliedstaat belegenem unbeweglichem Vermögen beschränkt“
In der Rechtssache C-152/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 2003, in dem Verfahren
Hans-Jürgen Ritter-Coulais,
Monique Ritter-Coulais
gegen
Finanzamt Germersheim
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas, der Richterin N. Colneric, der Richter S. von Bahr (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kũris, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn und Frau Ritter-Coulais, vertreten durch Rechtsanwalt M. Ross,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und K.-D. Müller als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Plender, QC,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Grunwald und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. März 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 52 EWG-Vertrag (später Artikel 52 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn und Frau Ritter-Coulais (im Folgenden: Eheleute Ritter-Coulais) und dem Finanzamt Germersheim wegen der Einkommensteuer, zu der sie für das Jahr 1987 in Deutschland veranlagt wurden.
Rechtlicher Rahmen und Vorlagefragen
3
Die Eheleute Ritter-Coulais wurden als nach § 1 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes in der 1987 geltenden Fassung (im Folgenden: EStG 1987) unbeschränkt Steuerpflichtige für das Steuerjahr 1987 in Deutschland zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Lehrer an einem Gymnasium, wohnten aber in einem eigenen Einfamilienhaus in Frankreich. Zu dieser Zeit hatte Herr Ritter-Coulais die deutsche und Frau Ritter-Coulais die deutsche und die französische Staatsangehörigkeit.
4
Die Eheleute Ritter-Coulais begehrten gemäß § 32b Absatz 2 Nr. 2 EStG 1987 für die Festsetzung des Steuersatzes der Steuern, die sie für das genannte Steuerjahr schuldeten, die Berücksichtigung negativer Einkünfte (Verluste) wegen der Selbstnutzung ihres Wohnhauses.
5
Die genannten negativen Einkünfte gehören zu den Einkünften aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens, die nach Artikel 3 Absatz 1 des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 (im Folgenden: deutsch-französisches DBA) nur in dem Staat, in dem dieses Vermögen belegen ist ‐ im Ausgangsverfahren: in Frankreich ‐ besteuert werden können.
6
Nach Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a des deutsch-französischen DBA schränkt dieser Umstand das Recht der Bundesrepublik Deutschland allerdings nicht ein, diese Einkünfte bei der Festsetzung ihres Steuersatzes zu berücksichtigen.
7
So berück...