Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, in Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, Betrieb eines städtischen Aquaparks
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass nicht organisierte und nicht planmäßige sportliche Betätigungen, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen, als Ausübung von Sport im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können.
2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass der Zugang zu einem Aquapark, der den Besuchern nicht nur Einrichtungen anbietet, die die Ausübung sportlicher Betätigungen ermöglichen, sondern auch andere Arten der Unterhaltung oder Erholung, eine in engem Zusammenhang mit Sport stehende Dienstleistung darstellen kann. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob dies im Licht der vom Gerichtshof im vorliegenden Urteil gegebenen Auslegungshinweise und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Ausgangsrechtsstreits in dieser Rechtssache der Fall ist.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. m
Beteiligte
Financní reditelství v Hradci Králové |
Verfahrensgang
Nejvyssí správní soud (Tschechien) (Urteil vom 15.12.2011; ABl. EU 2012, Nr. C 98/12) |
Tatbestand
„Steuer ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 132 Abs. 1 Buchst. m ‐ Befreiung ‐ In engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen ‐ Nicht organisiert und nicht planmäßig ausgeübte sportliche Betätigungen ‐ Städtischer Aquapark“
In der Rechtssache C-18/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2012, in dem Verfahren
Město Žamberk
gegen
Finanční ředitelství v Hradci Králové
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Město Žamberk, vertreten durch J. Lukáš, advokát,
‐ des Finanční ředitelství v Hradci Králové, vertreten durch E. Horáková als Bevollmächtigte,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios, M. Šimerdová und Z. Malůšková als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Město Žamberk (Stadt Žamberk/Senftenberg) und dem Finanční ředitelství v Hradci Králové (Finanzdirektion Hradec Králové/Königgrätz) über die Frage, ob der als Gegenleistung für den von der Stadt Žamberk gewährten Zugang zum städtischen Aquapark erhobene Eintrittspreis der Mehrwertsteuer unterliegt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.
Rz. 4
Art. 132 Abs. 1 Buchst. m dieser Richtlinie, der sich in Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) des Titels IX der Richtlinie befindet, sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“.
Rz. 5
In Art. 134 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„In folgenden Fällen sind Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 [Buchst. m] ausgeschlossen:
a) [S]ie sind für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich;
b) sie sind im Wesentlichen dazu bestimmt, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.“
Tschechisches Recht
Rz. 6
§ 61 („Andere von der Steuer ohne Recht auf Abzug der Steuer befreite Umsätze“) des Gesetzes Nr. 235/2004 über die Mehrwertsteuer bestimmt in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung:
„Außerdem sind folgende Umsätze von der Steuer befreit:
…
d) in engem Zusammenhang mit Sport und Körper...